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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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ihrem Verlobungs- und ihrem Ehering herum. Der Diamant funkelte im Sonnenschein. Er musste um die acht bis zehn Karat haben.
    Garret wirkte sogar noch nervöser als sie. Von Zeit zu Zeit trat er nach einem der Kiesel auf der Auffahrt. Er war kein gut aussehender junger Mann, besaß aber eine Adlernase und markante Wangenknochen, die ihm ein entschlossenes, ernstes Aussehen verliehen. »Ich möchte jetzt reingehen«, verkündete er und zupfte an dem geflochtenen Lederarmband an seinem Handgelenk.
    Julia rang sich ein Lächeln ab, das jedoch nicht die Trauer in ihren Augen zu verdrängen vermochte. »Garret hätte heute fast seinen Tennislehrer geschlagen.«
    »Das ist mir egal«, sagte der Junge zu Claire. »Ich wollte überhaupt nicht spielen. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden.«
    »Mein Mann möchte, dass er seinen Tagesablauf beibehält«, sagte Julia und warf mir einen flehenden Blick zu. Offensichtlich sah sie sich gezwungen, zu erklären, warum Garret keine zwei Tage nach der Ermordung seiner Schwester und wenige Stunden nach der Einweisung seines Bruders in eine geschlossene psychiatrische Abteilung eine Tennisstunde nahm. Es war eine durchaus angebrachte Frage. »Aber nicht nur Win«, fügte Julia hinzu, »sondern auch unser Hausarzt hat gesagt, wir sollen alles so normal wie möglich weiterlaufen lassen.«
    Garret schüttelte den Kopf. »Klar«, zischte er.
    Ich wollte nicht der Elefant im Porzellanladen sein, aber auch nicht fortgehen, ohne so viel wie möglich über die emotionale Dynamik innerhalb der Familie herausgefunden zu haben. »Garret«, sagte ich. »Wie wirst du mit dem fertig, was hier während der letzten achtundvierzig Stunden passiert ist?«
    Er hörte auf, mit den Füßen zu scharren, und wagte flüchtigen Augenkontakt mit mir. Einen Moment lang sah er aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, doch dann verhärteten sich seine Züge. »Gut«, erklärte er trotzig. »Ich werd’s schon durchstehen.«
    Julia zuckte zusammen.
    Ich streckte die Hand aus und berührte sanft ihren Arm. »Wenn Sie oder irgendjemand sonst in der Familie darüber reden wollen, was passiert ist, dann stehe ich gern zur Verfügung«, sagte ich. Ich bemerkte, dass Anderson auf meine Hand starrte, die noch immer auf Julias weicher Haut ruhte, und nahm sie weg.
    Sie schluckte. »Danke«, sagte sie. »Ich vermute, dass wir nicht alle erwarten können, es allein durchzustehen.«
    »Also, was denkst du?«, fragte Anderson, als wir die Auffahrt hinunter zur Wauvinet Road fuhren.
    »Ich sage dir, was ich
nicht
denke«, erwiderte ich. »Ich denke nicht, dass Darwin Bishop schlicht vergessen hat, dich über Billys Einweisung in eine New Yorker Klinik zu informieren.«
    »Das heißt?«
    »Niemand, der vierundzwanzig Stunden, nachdem er seine Tochter tot in ihrer Wiege gefunden hat, am Nikkei mit Aktien spekulieren kann, vergisst einfach, dass der Polizeichef mit einem Seelenklempner aus Boston vorbeikommt. Er wollte, dass wir kommen.«
    »Warum? Warum hat er uns hierher kommen lassen, wenn Billy nicht zu sprechen ist?«
    »Vielleicht, um mich unter die Lupe zu nehmen, oder aber, um uns eine Botschaft zu übermitteln. Jedenfalls hat er gesagt, was er zu sagen hatte: wie gestört Billy ist; dass er, Julia und ein halbes Dutzend Psychiater nach Kräften versucht haben, ihm zu helfen, und sogar, dass Billy dem Bild eines Psychopathen bis ins letzte Detail entspricht. Er hat nichts ausgelassen: Brandstiftung. Tierquälerei. Bettnässen. Und er hat als Zugabe sogar noch Selbstverstümmelung draufgegeben – das Beißen und das Ausreißen von Haaren.«
    »Er hat nur deine Fragen beantwortet«, widersprach Anderson. »Er hat nichts aus freien Stücken gesagt.«
    »Ein Mann wie Darwin Bishop kommuniziert auf dieselbe Weise, wie ein Karatemeister kämpft«, erwiderte ich. »Er nutzt deinen eigenen Schwung, um dich an die Stelle zu lenken, wo er dich haben will. Wenn er dir etwas über sein Unternehmen erzählen wollte, dann würde er nicht einfach damit herausplatzen. Er würde dich glauben lassen, du hättest ihm die Informationen praktisch aus der Nase gezogen.« Ich nickte. »Er geht in dieser Angelegenheit so vor, als wäre sie ein Geschäftsabschluss. Strategisch.«
    »Na ja, keine besonders clevere Strategie«, bemerkte Anderson. »Er drängt die Staatsanwaltschaft mit dem Rücken an die Wand. Wenn die Presse erst einmal Wind davon bekommt, dass Billy den Bundesstaat verlassen hat, dann ist Tom Harrigan praktisch

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