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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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zurückgeben. Aber zweifellos habe ich die emotionalen Hürden auf Billys Weg unterschätzt.«
    Mir fiel auf, dass Bishop von den Adoptionen sprach, als wäre er allein dafür verantwortlich gewesen. »Beide Adoptionen waren Ihre Entscheidung«, stellte ich fest.
    »Ja«, bestätigte er. »Mir gefällt die Vorstellung, Menschen eine Chance zu geben, denen das Leben keine geben will. Besonders jungen Menschen. Und ganz besonders Kindern.«
    »Und wie stand Ihre Frau Julia dazu, dass Billy in die Familie kam?«, fragte ich.
    »Sie hat mich unterstützt«, antwortete er.
    »Das klingt nicht gerade begeistert«, hakte ich nach.
    Bishop faltete seine Hände auf dem Schoß. »Ich habe viel von Julia verlangt«, fuhr er mit gelassener Stimme fort. »Sie hat meinen Sohn vom ersten Tag unserer Ehe an in der Familie willkommen geheißen. Sieben Jahre später ein weiteres Kind aufzunehmen war keine leichte Aufgabe – besonders einen Jungen mit Billys Vergangenheit.«
    »Ihre Exfrau hat nicht das Sorgerecht für Garret zugesprochen bekommen«, sagte ich.
    »Sie hat es nicht eingeklagt«, erwiderte er.
    »Warum?«
    »Das ist eine komplizierte Geschichte, die jetzt nichts zur Sache tut.«
    Sein Tonfall verriet mir, dass das Thema tabu war. Ich registrierte sein Unbehagen und steuerte in eine andere Richtung. »Wer hat Ihre Tochter gefunden nach … nach dem Verbrechen?«, fragte ich.
    »Ich«, sagte er augenblicklich und ohne jede Emotion.
    »Wann?«
    »Am Donnerstag, kurz vor vier Uhr früh.«
    »Sie waren zufällig um vier Uhr früh wach?«, fragte Anderson.
    »Ich habe einige Bilanzen durchgesehen, um mich auf den Börsenbeginn in Fernost vorzubereiten«, erklärte Bishop.
    »Haben Sie auch gestern die Börse verfolgt?«, erkundigte ich mich.
    »Ja«, sagte er.
    Ich entschied mich für einen Blattschuss, um seinen Panzer zu durchdringen. »Wie konnten Sie sich Ihren Geschäften widmen«, sagte ich, »nachdem Sie Ihre Tochter tot in ihrer Wiege gefunden hatten?«
    Bishop starrte mich an, antwortete aber nicht.
    Anderson warf mir einen Blick zu, der signalisierte, dass er der Ansicht war, ich sei zu weit gegangen.
    Ich fürchtete, er könnte Recht haben. Möglicherweise hatte ich die Nadel in Bishops Seele gebohrt und etwas aufgestochen, das unkontrolliert bluten würde. Doch als er schließlich fortfuhr, tat er es mit derselben kühlen Entschiedenheit, die er während unserer gesamten Unterhaltung an den Tag gelegt hatte. »Wenn ich ein Lösegeld zahlen könnte, um meine Tochter zurückzubringen«, sagte er, »dann würde ich mit Freuden jeden Dollar hergeben, den ich besitze. Aber das ist unmöglich. Ich habe sehr hart für mein Geld gearbeitet und beabsichtige, daran festzuhalten.« Er verzog den Mund zu einem aufgesetzten Lächeln und sah auf seine Uhr. »Meine Herren«, sagte er, »uns bleibt leider keine Zeit mehr. Ich habe Julia versprochen, dass wir früh zu Abend essen.«
    »Wäre es möglich, dass Dr. Clevenger sich in New York mit Billy unterhält?«, fragte Anderson.
    Bishops Gesicht blieb eine Maske der Umgänglichkeit. »Wozu?«, fragte er.
    »Ich könnte nützlich für Ihren Sohn sein, falls Mordanklage gegen ihn erhoben wird«, sagte ich. »Es besteht durchaus die Möglichkeit, auf verminderte Schuldfähigkeit zu plädieren.«
    Verminderte Schuldfähigkeit ist eine juristische Doktrin, die es Richtern und Geschworenen erlaubt, sich gegenüber Angeklagten nachsichtiger zu zeigen, die zum Zeitpunkt der Tat zwar zurechnungsfähig waren, doch nichtsdestotrotz eindeutig geistesgestört sind. Solche Angeklagten werden häufig einer geringeren Straftat für schuldig befunden – beispielsweise Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag statt Mord.
    »Ja, ich muss gestehen, dass das gegebenenfalls nützlich sein kann«, sagte Bishop. »Ich werde alles Nötige veranlassen.« Er stand auf. »Gibt es sonst noch etwas, womit ich Ihnen behilflich sein kann?«
    »Im Moment nicht«, antwortete Anderson.
    Wir erhoben uns und machten Anstalten, das Arbeitszimmer zu verlassen, als mein Blick auf eine Gruppe von drei Ölgemälden direkt neben der Tür fiel. Es waren Porträts von drei Polopferden, die mit Paradesätteln und -steigbügeln aufgezäumt und deren Fesseln mit purpurnen Binden umwickelt waren. Ich blieb vor den Bildern stehen. Ich wollte herausfinden, wie schnell Bishop von einem Gespräch über den Mord an seiner Tochter zu einem erheblich seichteren Thema wechseln konnte. »Sind das Ihre?«, fragte ich ihn.
    Der

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