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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Patienten aus »Rauchpausen« wegspazieren sehen, wenn sie für eine schnelle Zigarette nach draußen geführt worden waren. Sie waren von AA-Treffen, die in einem anderen Gebäude auf dem Krankenhausgelände stattfanden, und von »betreuten« Freigängen zum Kiosk des Krankenhauses einfach nicht mehr zurückgekehrt.
    »Ich bin sicher, dass sie die Polizei in Manhattan alarmiert und ihnen Billys Beschreibung gegeben haben«, sagte ich. »Sie können ihn unter Paragraph zwölf zu einer Gefahr für sich und andere erklären, ihn festnehmen und zwangseinweisen lassen.«
    »Um genau zu sein, können sie ihn ohne Paragraph zwölf festnehmen, wenn sie ihn finden. Billys Timing war perfekt. Seit genau sieben Uhr heute Abend gibt es einen Haftbefehl gegen ihn. Tom Harrigan hatte alles vorbereitet, einschließlich des Gerichtsbescheids für Billys Auslieferung zurück nach Massachusetts. Es war geplant, dass die New Yorker Polizei ihn heute Morgen um sechs in der geschlossenen Abteilung verhaften würde. Zwei Beamte hätten ihn auf dem Flug um sieben Uhr dreißig nach Logan begleiten sollen.«
    »Ich habe heute eine Verabredung zum Mittagessen mit Julia Bishop. Sie kommt nach Boston«, sagte ich. »Ich finde heraus, ob sie irgendeine Ahnung hat, wo Billy sein könnte.«
    »Hast du sie angerufen oder sie dich?«, wollte North wissen.
    »Sie hat angerufen«, erklärte ich.
    »Hat sie gesagt, warum?«
    »Nein. Aber sie klang ein bisschen aufgelöst.«
    »Sie verpasst Garrets Tennisturnier«, bemerkte Anderson sarkastisch.
    »Er nimmt an einem Turnier teil?«, fragte ich. »Heute?«
    »Die Bishops sind Schirmherren eines Wohltätigkeitsturniers im Brant Point Racket Club. Garret Bishop ist der Top-Spieler in seiner Altersgruppe. Laut Zeitung beabsichtigt er, seinen Einzel-Titel vom letzten Jahr zu verteidigen.«
    »Das Leben geht weiter«, bemerkte ich. »In Darwins Welt ist alles im Lot.«
    »Den Mann kann nichts unterkriegen«, pflichtete Anderson bei, ehe er einen Moment lang innehielt. »Hör zu, du weißt, dass ich nie wirklich überzeugt war, dass Billy ein Mörder ist. Aber ich muss gestehen, die Tatsache, dass er aus der Klinik ausgebrochen und irgendwo da draußen ist, macht mir große Sorgen. Denn wenn er Brooke ermordet hat, dann weiß er jetzt, dass er nichts mehr zu verlieren hat.«
    Diese Worte ließen mich erschauern, als mir wieder einfiel, dass Billy am Ende unserer Unterhaltung genau dasselbe gesagt hatte. »An deiner Stelle würde ich noch ein paar Streifenwagen zu den Range Rovers vor Bishops ›Wachhaus‹ stellen. Billy war nicht gerade erfreut darüber, dass sein Vater ihn in die Anstalt gesteckt hat.«
    »Das habe ich schon versucht«, sagte Anderson. »Bishop hat mein Angebot dankend abgelehnt.«
    »Darwin, wie er leibt und lebt«, bemerkte ich.
    »Ich rufe dich an, sobald ich irgendwas Neues höre«, sagte er.
    »Ebenfalls.« Ich legte auf.
    Ich legte mich wieder hin und starrte in die Dunkelheit. Mein Herz raste, und ich hätte gut den Scotch gebrauchen können, den ich im Sir Galahad stehen gelassen hatte. Ich fragte mich, wo Billy wohl in diesem Moment war. Hatte er Unterschlupf in einem Obdachlosenasyl gesucht? War er bei einem Freund in Manhattan untergekrochen, dessen Eltern nicht in der Stadt waren? War er unverfroren genug, sich im Penthouse der Bishops zu verstecken? Oder saß er zusammengekauert in einer Ecke des Busbahnhofs drüben an der Eigth Avenue und wartete auf einen Bus, der ihn nach Hyannis bringen würde, von wo aus er die Fähre nach Nantucket nehmen konnte?
    Und, was noch wichtiger war, was hatte er vor – Flucht oder Rache?

7
    Dienstag, 25. Juni 2002
    Bevor ich am Vormittag meinen Loft verließ, redete ich mit Anderson und erfuhr, dass Billy noch immer auf der Flucht war. Mir blieben noch zwei Stunden bis zu meiner Verabredung mit Julia, also fuhr ich für meinen dritten Besuch bei Lilly Cunningham zum Mass General.
    Ich hatte erwartet, sie in besserer Verfassung vorzufinden, doch stattdessen wirkte sie mitgenommener. Ihre Haut war noch blasser als zuvor. Ihr Atem ging unregelmäßig. Als ich ins Zimmer kam, kniff sie die Augen zusammen, um mich besser erkennen zu können.
    Ich zog einen Sessel ans Bett und setzte mich. Dem Infusionsbaum waren mittlerweile neue Äste gewachsen, sodass nun insgesamt fünf Flaschen und Plastikbeutel daran hingen und in die Kanüle tröpfelten, die in Lillys Unterschlüsselbeinschlagader führte. Ich schaute auf ihr Bein, das noch immer im

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