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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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die Entscheidung getroffen zu trinken. Weil ich nicht bereit war, mir den Spiegel vorzuhalten. Kein Entzug, egal, wie viel er pro Tag kostet, hätte mir geholfen. Ich musste mich den Tatsachen stellen.«
    Bishops augenscheinliche Freimütigkeit passte irgendwie nicht zu der Lüge, die er Julia im Hinblick auf sein Vorstrafenregister erzählt hatte, und ebenso wenig dazu, dass er Billy mit einem Gürtel verprügelt hatte. »Was war es, dem Sie sich nicht stellen wollten?«, fragte ich skeptisch.
    »Wer ich war«, antwortete Bishop. »Und einigen der Dinge, die ich getan hatte.«
    Ich nickte, um ihn wissen zu lassen, dass ich bereit war zuzuhören.
    »Meine Kindheit war nicht gerade mit materiellen Gütern gesegnet«, sagte er.
    »Sie waren arm«, formulierte ich es schärfer.
    Er scheute vor dem Wort nicht zurück. »Ja. Es gab nicht einmal genug zu essen, wenn Sie es genau wissen wollen. Nur gebrauchte Sachen zum Anziehen. Nächte ohne Heizung. Und all das hat mir wirklich zugesetzt. Es ist lächerlich, aber meine Herkunft war mir peinlich. Es machte mich wütend. Und hasserfüllt. Bis zum Teenageralter habe ich all das in mich hineingefressen, aber als ich nach Vietnam ging, hatte ich plötzlich einen Freifahrtschein, all diese negativen Gefühle auszuleben.« Er schürzte die Lippen, holte tief Luft und starrte wieder aus dem Fenster. »Ich habe dort drüben Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin.« Er sah mich an. »Lange Zeit habe ich versucht, die Erinnerungen mit Alkohol auszulöschen. Ich war außer Kontrolle. Und meine Frau Lauren geriet in die Schusslinie. Gottlob sind wir heute Freunde, obwohl ich keine Ahnung habe, warum. Ich verdiene es nicht.«
    Ich konnte nicht beurteilen, ob Bishop mir die Wahrheit erzählte oder mit mir spielte. Was er sagte, klang gut, trotzdem konnte ich mir keinen Grund vorstellen, weshalb Julia über Billys Prügel lügen sollte. »Danke«, sagte ich. »Das verschafft mir einen tieferen Einblick. Es gibt nicht viele Menschen, die so offen über sich selbst sprechen können.«
    »Lange Zeit konnte ich das auch nicht«, erwiderte Bishop. »Es fällt mir immer noch schwer, mich zu öffnen.«
    Diese letzte Bemerkung verfehlte ihr Ziel, denn sie klang hohl und gekünstelt, was Bishop ebenfalls nicht entging, vermutete ich. Mein Instinkt sagte mir, dass er sich in einem Licht darstellte, von dem er annahm, dass es einem Psychiater gefallen würde. »Ich will Ihnen ein paar Dinge über mich erzählen«, sagte ich, »wo wir schon einmal beim Thema Öffnen sind.«
    Er neigte seinen Kopf zur Seite und lauschte.
    Selbst diese Bewegung wirkte auf mich einstudiert. »Ich habe nur eine wirkliche Gabe«, erklärte ich. »Und dafür bezahlen mich die Leute.«
    »Und zwar?«
    »Ich bin ein Bohrer.«
    »Ein Bohrer.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich bohre immer tiefer und tiefer, bis ich auf die Wahrheit stoße.«
    Bishop hatte mich offenkundig genau verstanden: Ich hatte nicht vor, die Ermittlungen aufzugeben. »In diesem Fall«, sagte er, »muss ich Ihnen leider Folgendes mitteilen: So sehr ich Ihre Entschlossenheit unter anderen Umständen auch schätzen mag, bedeutet meine Absicht, Billy auf unschuldig und nicht auf Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit plädieren zu lassen, dass Ihre Dienste nicht länger benötigt werden.«
    »Von wem?«, fragte ich.
    »Von dieser Familie«, antwortete er.
    Angesichts der Tatsache, dass Billy – und Tess – Mitglieder besagter Familie waren, konnte man sich zweifelsohne darüber streiten, doch ich hatte einen simpleren Einwand. »Die Familie ist bei diesem Fall nicht mein Klient«, erklärte ich. »Ich arbeite für das Police Department von Nantucket.«
    »Und es tut mir Leid, wenn Ihnen der Eindruck vermittelt wurde, dass es sich hierbei um eine langfristige und weit greifende Beteiligung handeln würde«, fuhr Bishop fort. »Ich werde Sie für Ihre enttäuschten Erwartungen natürlich entschädigen und zahle Ihnen gern das Honorar für einen Monat Arbeit. Zwei Monate. Was immer Sie für angemessen halten.«
    Bishop war offenkundig der Überzeugung, das Police Department und er wären ein und dasselbe. Außerdem wollte er mich augenscheinlich so dringend loswerden, dass er bereit war, dafür zu zahlen. Ich fragte mich, wie dringend. »Zwei Monate, Vollzeit, das macht fünfzigtausend Dollar«, sagte ich.
    »Ein gepfeffertes Honorar«, bemerkte Bishop.
    »Zu gepfeffert für Sie?«, fragte ich mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Das habe ich

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