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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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nicht.«
    Mir wurde schwindelig. »Was ist passiert? Hat er irgendwas gesagt?«
    »Sie hatte einen Atemstillstand«, sagte Tina.
    »Wo ist das Krankenhaus?«, fragte ich.
    »An der South Prospect Street, Ecke Vesper Lane«, sagte ich. »Das Nantucket Cottage Hospital. Es ist nur etwa eine Meile außerhalb der Stadt; es gibt überall kleine blaue Hinweisschilder, die dir den Weg zeigen. Du kannst es nicht verfehlen.«
    »Danke, Tina«, sagte ich.
    »Tut mir Leid, dass ich nur eine so schlechte Nachricht für dich habe. Ich würde dich wirklich gern sehen. Vielleicht, wenn sich alles etwas beruhigt hat.«
    »Das werden wir tun«, versprach ich.
    Ich lief die Treppe zum Foyer hinunter. Die Frau an der Rezeption gab mir eine Wegbeschreibung zum Krankenhaus, doch während ich in der Dunkelheit eine Straße nach der anderen entlangbrauste, ging mir auf, dass ich es ebenso schnell gefunden hätte, wäre ich den Hinweisschildern gefolgt. Das ist noch so eine Besonderheit an Nantucket: Nichts ist willkürlich. Alles ist beschildert. Im Verlauf von vierhundert Jahren haben die Inselbewohner langsam, aber sicher sämtliche Ecken und Kanten der Insel abgeschliffen und alle möglichen Überraschungen ausgeräumt, sodass die Insel ihre Metapher nun in jedem wunderschönen, glatten, toten Stück Treibholz hat, das am Strand angespült wird.
    An solchen Orten muss irgendetwas passieren, damit die Leute erkennen, dass sie ihre Lebendigkeit und ihre Menschlichkeit noch nicht verloren haben. Komplizierte Liebesbeziehungen voller Eifersucht, Schmerz und Rache schlagen Wurzeln. Tiefe Depressionen setzen ein. Süchte gedeihen. Und gelegentlich beginnt eine besonders abscheuliche Variante der Psychopathologie, die Zeit gehabt hat, groteske Auswüchse zu bilden wie ein knorriger, beängstigender Baum, vergiftete Früchte zu tragen.
    North Andersons Streifenwagen stand in der Nähe der Notaufnahme neben einem Krankenwagen und zwei weißen Range Rovern. Ich stellte meinen Wagen daneben und eilte durch die gläserne Automatiktür.
    Darwin Bishop, in Khakihose, rosafarbenem Polohemd und schwarzen Gucci-Slippern, tigerte in der Eingangshalle auf und ab und sprach in sein Handy. Zwei seiner Wachleute standen in seiner Nähe herum. Er hatte mir den Rücken zugekehrt und sagte im Flüsterton: »Stoßen Sie alles bei achtundfünfzig ab.«
    Ich trat zur Empfangsdame, einer Frau mit bläulich gefärbten Haaren, die offensichtlich völlig außer sich war. »Ich bin Dr. Clevenger«, stellte ich mich vor. »Ich möchte zu Chief Anderson.«
    »Er ist mit Mrs. Bishop und dem Baby in Behandlungsraum fünf«, sagte sie und rang ihre von dicken Adern überzogenen Hände. »Ich hoffe, Sie können etwas tun. Sie ist noch so klein.«
    »Sie gehen da nicht rein«, sagte Bishop hinter mir.
    Ich drehte mich um. Flankiert von seinen zwei Schlägern stand er vor mir. »Was ist mit Tess passiert?«, fragte ich tonlos.
    Er ignorierte die Frage. »Sie sind hier nicht willkommen«, sagte er.
    Ich wollte an der Empfangsdame vorbeigehen, als jemand mein Handgelenk packte und meinen Arm mit einem Ruck hinter meinen Rücken riss, während er mir seinen eigenen über die Kehle legte. Über meine verdrehte Schulter hinweg sah ich, dass mich einer der Leibwächter im Schwitzkasten hatte. Es war ein Amateurgriff, und ich fragte mich unwillkürlich, ob Bishop seine Wachmänner von einem Supermarkt abgeworben hatte. Ich lehnte mich nach vorn, ehe ich dem Mann meinen freien Ellbogen in die Rippen rammte. Ein lautes Knacken verriet mir, dass ich einen Treffer gelandet hatte. Er stöhnte auf und ließ mich los. Im nächsten Moment kam sein Kumpel auf mich zu.
    »Schluss damit!«, rief Anderson aus dem Flur keine fünf Meter hinter dem Empfangstresen und kam auf uns zu.
    Bishop zeigte auf mich, blieb jedoch auf Distanz. »Ich will, dass er verschwindet.«
    Anderson trat neben mich. »Lass uns nach draußen gehen. Ich erkläre dir, was los ist.«
    Ich merkte mir diese kleine Kapitulation und folgte ihm durch die Glastüren hinaus zu seinem Streifenwagen.
    »Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte ich. »Was ist mit Tess passiert?«
    Er lehnte sich gegen die Motorhaube. »Herzstillstand«, sagte er. »Sie haben sie zurückgeholt, aber ihr Herz schlägt noch immer unregelmäßig. Sie sind nicht sicher, ob ihr Gehirn durch den Sauerstoffmangel Schaden genommen hat.«
    »Mein Gott.«
    »Die Bishops haben sie gegen drei Uhr in die Notaufnahme gebracht«, fuhr er fort. »Sie hat anscheinend

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