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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Zimmer.
    Zu meiner Erleichterung begann sie zu sprechen, noch bevor ich das Wort ergreifen konnte. »Du hattest Recht«, sagte sie tonlos.
    »Inwiefern?«
    »Win.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er hat Tess das angetan.« Sie drehte sich wieder zu dem Baby um.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich trat auf die andere Seite des Betts und betrachtete Tess. »Wieso denkst du das?«, wollte ich wissen.
    »Er hat mich gefragt, wo die Tabletten sind.«
    »Das Nortriptylin?«
    Sie nickte.
    »Wann?«
    »Gestern.« Sie schloss die Augen. »Bevor wir zu Brookes … Beerdigung gefahren sind.«
    »Hat er gesagt, was er damit vorhatte?«
    Sie starrte ins Leere und schien völlig in ihren Gedanken versunken.
    »Julia«, sagte ich. »Hat Darwin gesagt, was er mit den Nortriptylin-Tabletten vorhatte?«
    Sie holte tief Luft.
    »Julia?«
    »Er meinte, er hätte Angst, dass ich sie nehme. Alle auf einmal. Dass ich mich umbringen würde.«
    »Hast du an Selbstmord gedacht?«, fragte ich.
    »Ich war aufgelöst, mehr nicht«, antwortete sie. »Ich meine, ich hatte gerade Abschied von meiner Tochter genommen. Ist es mir da nicht erlaubt, traurig zu sein und die eine oder andere Träne zu vergießen?«
    »Natürlich«, erwiderte ich sanft.
    »Ich habe ihm geschworen, dass ich mir nichts antun würde. Aber er wollte die Tabletten trotzdem haben.« Ein gequälter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. »Das Tablettenfläschchen war noch immer in der Reisetasche, die wir letztes Jahr in Aspen dabeihatten«, sagte sie. »Ich hatte ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Ich habe sogar überlegt, ob ich ihm sagen soll, die Tabletten wären verloren gegangen.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Aber am Ende habe ich sie ihm gegeben.« Sie blickte zu Tess.
    »Bist du bereit, das alles vor North Anderson zu wiederholen?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete sie und starrte durch mich hindurch. »Ich habe Darwin das Medikament gegeben, mit dem er mein Baby vergiftet hat. Und du hast noch gesagt, ich soll gut auf sie aufpassen.«
    »Sie wird durchkommen«, beschwichtigte ich sie.
    »Im Krankenhaus in Nantucket haben sie gesagt, sie könnte einen Hirnschaden davongetragen haben.«
    Mir war klar, dass Julias Feststellung in Wirklichkeit eine Frage war, doch ich wusste keine Antwort darauf. Das Risiko neurologischer Komplikationen bestand eindeutig, doch ich konnte nicht sagen, wie groß es war. »Gib ihr etwas Zeit«, sagte ich. »Sie hat gute Chancen, dass sie sich vollständig erholt. In ein paar Tagen – oder auch schon in ein paar Stunden – kann alles schon viel besser aussehen.«
    »Ich lasse sie nicht allein«, erklärte sie.
    »Niemand will dich dazu zwingen. Du kannst so lange bei ihr bleiben, wie du möchtest.« Ich trat zu ihr und ging neben ihrem Stuhl in die Hocke, sodass unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren. »Aber du musst jetzt auf dich selbst achten. Um ihretwillen.«
    Zum ersten Mal sah Julia mich direkt an.
    »Sie braucht jetzt eine gesunde Mutter mehr als je zuvor«, sagte ich.
    »Kannst du eine Weile bei uns bleiben?«, fragte sie und hielt mir ihre Hand hin.
    Ich ergriff sie. Ihre Finger zitterten ein wenig, wie ein zarter, verängstigter Vogel, und sie zu halten gab mir das Gefühl, gebraucht zu werden und stark zu sein. Ich dachte an North Andersons Warnung, mich nicht so weit auf diese Geschichte einzulassen, dass ich den Blick für die Wahrheit verlor, doch in jenem Moment sah ich nur zwei klare Verdächtige: Billy und Darwin Bishop. »Ich bleibe eine Weile hier«, versprach ich. »Ich muss später noch eine andere Patientin hier im Krankenhaus besuchen, kann aber anschließend wieder herkommen.«
    Sie kaute an ihrer Unterlippe, auf eine traurige und verführerische Weise, wie ein kleines Mädchen. »Ich meinte, ob du bei uns bleiben wirst, wenn wir das Krankenhaus verlassen. Ich gehe nicht wieder nach Hause.«
    »Was hast du vor?«, fragte ich, um der ursprünglichen Frage auszuweichen.
    »Ich gehe mit Garret und Tess zu meiner Mutter«, erklärte sie.
    Ich nickte.
    »Ich möchte, dass du mitkommst«, sagte sie. »Nur, bis ich mich sicher fühle.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, vielleicht fühlen wir uns beide am Ende zusammen am sichersten.«
    Rückblickend muss ich gestehen, dass ich diese Worte mit dem Teil von mir hörte, der in meiner Kindheit verletzt worden und der als Erwachsener trotz der unermüdlichen Bemühungen von Dr. James, meine Psyche wieder zusammenzusetzen, noch immer nicht verheilt

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