Infam
gefeuert hat.«
»Und hast du irgendetwas herausgefunden?«
»Nichts Weltbewegendes. Sie hat mir erzählt, sie sei sauer auf Julia gewesen, weil sie sie rausgeschmissen hat. Jetzt tut ihr die ganze Sache Leid, weil sie glaubt, dass sie zum Teil selbst schuld daran war. Ich schätze, Claire Buckley hatte ihr lang und breit erzählt, Julias Depressionen könnten immer schlimmer werden, sodass sie am Ende vielleicht nicht mehr für die Zwillinge sorgen könnte.«
»Geschickte Taktik«, bemerkte ich. »Einen Keil zwischen die Kinderschwester und die Mutter zu treiben. Auf diese Weise behält Claire die Kontrolle im Haus.«
»Und diese Collier hat nach und nach aus den Augen verloren, für wen sie tatsächlich arbeitet«, pflichtete Anderson bei. »Sie hat angefangen, Julias Pläne für die Zwillinge immer von Claire absegnen zu lassen – sogar völlig alltägliche Dinge, wie zum Beispiel, welches Babymilchpulver bestellt werden sollte oder wann der nächste Arzttermin gemacht werden musste.«
»Diese Dinge mögen uns alltäglich erscheinen, aber für eine schwangere Frau sind sie es nicht«, wandte ich ein.
»Das brauchst du mir nicht zu sagen«, erwiderte Anderson. »Tina liest zum x-ten Mal jedes Elternbuch, das sie in die Finger bekommen kann. Es will alles genauestens geplant sein.«
»Und wenn du eine Frau wie Julia hast, die unter postnataler Depression leidet, wird sie versuchen, stark zu wirken, nicht krank«, sagte ich. »Sie kann übersensibel auf Leute reagieren, die sie wie eine Verrückte behandeln.«
»Offensichtlich. Sie hat Kristen Collier fristlos gefeuert.«
»Nebenbei gefragt, wie sieht sie eigentlich aus?«, fragte ich.
»Jung und hübsch, genau wie Claire«, antwortete er. »Und wenn du auf das hinauswillst, was ich denke – ich hatte den Eindruck, dass ihr Verhältnis zu Win dieser ganzen Sache nicht gerade zuträglich war.«
»Inwiefern?«
»Ich schätze, als Kinderschwester zu arbeiten war für sie nur ein Zwischenstopp. Sie hat ihre Schwesternprüfung abgelegt, geht aber inzwischen zur Uni, um Betriebswirtschaft zu studieren. Während der guten Woche, die sie bei den Bishops gewohnt hat, hat sie die Gelegenheit genutzt und Darwin nach seinen Ansichten im Hinblick auf ihre Karriere, die allgemeine Wirtschaftslage und was weiß ich noch alles gefragt. Sie haben einige Zeit zusammen verbracht.«
»Das dürfte Julia nicht gefallen haben«, sagte ich. »Von Claire ganz zu schweigen.«
»Claire hat sie anscheinend während der letzten Monate von Zeit zu Zeit angerufen, um sich zu erkundigen, ob es ihr gut ging. Doch Kristen Collier hatte den Eindruck, dass es ihr eher darum ging, sicherzugehen, dass sie keinen weiteren Kontakt mit dem Herrn des Hauses hatte.«
»Und hatte sie?«, fragte ich.
»Sie sagt, nein.«
»Meinst du, sie hegt einen Groll gegen die Bishops?«
»Ich glaube nicht«, sagte er. »Jedenfalls nicht die Art, die zu Mord führt. Sie wirkte ziemlich offen und ehrlich.«
»Zumindest eine«, bemerkte ich.
»Sehe ich dich morgen auf der Insel?«, fragte Anderson.
»Definitiv. Wir reden dann weiter.«
Er legte auf.
Ich ging in meiner Wohnung herum und räumte auf. Vor dem Bradford-Johnson-Gemälde, das Justine Franza so gefallen hatte, blieb ich stehen. Das Gemälde hatte mich immer angesprochen, doch plötzlich war ich nicht mehr sicher, ob der einzige Grund dafür die Tapferkeit der Männer war, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um anderen zu helfen. Dieses Mal las ich eine andere Botschaft darin – etwas darüber, an Probleme gefesselt zu sein, sie als Ballast zu benutzen, als würde ich mich in ruhigem Gewässer unsicher fühlen. Bedeutete dies, dass ich dazu bestimmt war, mich für immer mit leidenden, kaputten Menschen zu umgeben? Oder würde ich auf sicheres Terrain zusteuern, sobald ich erst einmal einige weitere kaputte Teile in mir geheilt hatte?
Ich sah zu meinem Schnapsschrank hinüber, zwang mich aber sofort, meinen Blick abzuwenden. In der Hoffnung auf Ablenkung schaltete ich den Fernseher ein, stieß jedoch auf die letzten dreißig Sekunden eines Berichts von David Robicheau auf WBZ, der die Zuschauer live an der Jagd nach Billy teilhaben ließ. Riesige Scheinwerfer glitten über die Dünen, während State Trooper mit Spürhunden das dichte Unterholz der »Commons« durchkämmten. State Police Captain Brian O’Donnell, der Mann, von dem North Anderson mir erzählt hatte, er wolle sich die gesamte Ermittlung unter den Nagel reißen, versprach: »Wo
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