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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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als ich je erwartet hätte, aber ihn interessierte es nicht. Und es ist mir nie gelungen, wirkliches Selbstbewusstsein daraus zu gewinnen.«
    »Und das hat dir deine Ehe gegeben?«
    »In gewisser Hinsicht«, sagte sie. »Oder zumindest schien es so. Wins Frau zu sein bedeutete, dass ich nicht herausfinden musste, was ich darüber hinaus noch war. Mrs. Darwin Bishop reichte als Etikett für meine Eltern und Freunde. Für die meisten Leute. Und lange Zeit reichte es auch mir. Ich sonnte mich in seinem Erfolg und redete mir sogar ein, dass ich in gewisser Weise dazu beitrüge. Die Macht hinter dem Thron. So etwas in dieser Art.«
    »Aber du hattest als Model doch selbst großen Erfolg«, wandte ich ein.
    »Mir war immer klar, dass es oberflächlich war und irgendwann zu Ende sein würde.« Sie schaute aus dem Fenster auf die Bostoner Skyline, während wir über die Tobin Bridge fuhren. »Als Darwin mich das erste Mal geschlagen hat, wusste ich, dass auch unsere Ehe irgendwann zu Ende sein würde. Aber ich war … wie gelähmt. Ich habe mir nie die Zeit genommen oder die Kraft aufgebracht, meinen eigenen Weg zu gehen.«
    »Bis jetzt«, sagte ich.
    »Bis jetzt.« Sie lächelte. »Aber genug von mir, Dr. Clevenger. Wie kommt es, dass du noch immer Single bist?«
    »Ich war viele Jahre mit einer Frau zusammen, die krank war – geisteskrank«, erklärte ich.
    »Wer war sie?«
    »Eine Ärztin«, sagte ich. »Gynäkologin.«
    »Hat euch das zusammengebracht?«, fragte Julia. »Die Medizin?«
    »Zum Teil. Aber in gewisser Weise habe ich sie auch benutzt«, sagte ich. »Sie war labil, deshalb hatte ich die Kontrolle. Mit ihr zusammen zu sein erlaubte mir, zu behaupten, ich hätte eine Beziehung, während ich ihr in Wirklichkeit auswich, mich sogar davor versteckte.«
    »Wieso hast du dich versteckt?«, fragte sie.
    »Weil ich mich – emotional und physisch – in dem Haus verstecken musste, in dem ich aufgewachsen bin. Ich vermute, es ist zu einer Gewohnheit geworden.«
    Sie sah mich an, als wartete sie auf eine nähere Erklärung.
    »Mein Vater hat einen Gürtel benutzt, genau wie Darwin«, sagte ich.
    »Es tut mir Leid, Frank. Ich hatte ja keine Ahnung.«
    »Das ist schon lange her«, erwiderte ich.
    Julia saß eine Weile lang schweigend da und starrte durch die Windschutzscheibe. Dann wandte sie sich mir zu. »Jetzt brauchst du nichts mehr zu verstecken«, erklärte sie.
    Ich bekam eine Gänsehaut. Ich wollte so gern den Kern dessen glauben, was Julia gesagt hatte – dass ich mich offenbaren und gleichzeitig geliebt werden konnte. Denn tief in meinem Herzen war ich immer davon ausgegangen, dass die beiden sich gegenseitig ausschlossen. Der Blick, den sie mir schenkte, war unendlich verständnisvoll und zärtlich. Und ich fühlte mich tatsächlich so, als wäre ich an einem neuen, besseren Ort angekommen.
    Ich stellte den Wagen im Parkhaus des Mass General ab und begleitete Julia die zwei Blocks zum Eingang des Krankenhauses. Wir gingen auf Nummer sicher – kein Abschiedskuss, kein ausgedehntes Verabschieden. Sie trat in den Eingang, während ich mich auf den Weg zurück zu meinem Pick-up machte. Es war kurz vor 2 Uhr früh.
    Das Parkhaus des Mass General ist ein fünfstöckiger Betonklotz, dessen Rückseite an den Charles River grenzt. Das Gebäude, das sich über zwei Häuserblocks erstreckt, reicht auf der dem Krankenhaus abgewandten Seite bis zur Cambridge Street, während es auf der anderen Seite an eine dunkle Gasse grenzt, die zum Storrow Drive führt. Ich hatte gerade jene Gasse betreten, als mich jemand mit Wucht von hinten anrempelte. Ich taumelte nach vorn, und während ich noch um mein Gleichgewicht kämpfte, spürte ich plötzlich ein seltsames Reißen unterhalb meiner Rippen, etwa auf der Hälfte zwischen meinem Rückgrat und meiner Seite. Ein, zwei Sekunden lang brannte es wie Feuer, ehe es in einen durchdringenden Schmerz umschlug, der so überwältigend war, dass ich vornüberkippte und zu Boden ging. Ich versuchte, nach der Browning Baby in meiner Tasche zu greifen, doch mein Arm schien die Befehle meines Gehirns nicht zu befolgen.
    »Was wäre ihre Wahl gewesen«, sagte eine heisere, seltsam klingende Stimme, »Gefang’ne ihrer selbst?«
    Ich rappelte mich hoch, um einen Blick auf die Gestalt zu erhaschen, die die Flucht ergriff, konnte jedoch nur flüchtig ein Paar schwarze Springerstiefel erkennen. Vorsichtig tastete ich nach der schmerzhaften Stelle in meinem Rücken, die mich doppelt sehen ließ.

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