Infanta (German Edition)
Frühling anfängt. Wir gehen in den Borghese-Zoo. Wir gehen zum Campo dei Fiori. Und am Karfreitag ins Kolosseum, wenn dort der Papst auftritt, abends. Danach gehen wir essen. Wir nehmen Lamm und vorher etwas eingelegten Fisch, als Nachtisch süßen Kuchen mit Rum« – er küßte Maylas Stirn –, »und zu unserem Lamm trinken wir einen Soave. Oder trinkst du keinen Wein?«
»Ich trinke, was du trinkst. Mach dir keine Gedanken. Es ist alles in Ordnung.«
Sie ging in den Hof. Kurt Lukas folgte ihr. Ein Ausklang des Regens schwebte noch in der Luft. Er holte Mayla ein und drehte sie um; er lächelte, und sie lächelte mit ihm. »Wir zwei haben uns immer noch nicht richtig geküßt«, sagte er. »Erst war deine Lippe verletzt und anschließend meine. Ich hatte dir versprochen, es nachzuholen.« Mayla legte den Kopf zurück. Sie überließ ihm ihren ganzen Mund. Nach dem Kuß fragte sie, ob das die Art sei, wie er sie küsse, und er antwortete, ja, das sei seine Art. »Dann ist es besser, wenn du mehr küßt als redest« – Mayla löste sich von ihm und trat unter das Dach über dem Steinherd; der Boden war dort trokken. Sie hakte eine Matte ab, die tagsüber Schatten gab, und breitete sie vor dem Herd aus. Sie legte sich hin und lud ihn ein, sich neben sie zu legen. »Aber jetzt möchte ich, daß du redest. Erzähl.«
Er setzte sich zu ihr und sprach zuerst von dem Brief, ohne zu erwähnen, daß er geöffnet war. Er dankte ihr. Natürlich habe ihn der Brief auch ratlos gemacht. Und an einer Stelle vielleicht auch enttäuscht. Er nannte nicht den Namen Gussmann, er sagte nur, »Überflüssig war das doch wohl, wie die meisten Affären.« Dann sprach er von der Revolution – wie nahe ihm diese Tage gegangen seien. Zwischendurch erzählte er von Augustin, vom Luneta Hotel und von Elisabeth Ruggeri. »Gespräche mit einer solchen Frau sind ja immer auch mühsam«, sagte er. Schließlich kam er auf den Brand und die Lebensgefahr, aus der er befreit worden war, ohne auf die Rettung näher einzugehen. Und nach alledem sei er urlaubsreif gewesen. Einige Tage am Strand, die ihm gutgetan hätten. Damit beendete er den Überblick und sprang von einem zum anderen. Augustin. Beherzt. Lebendig. Fabelhaft. Natürlich gefährdet in dieser schlimmen Stadt. Dann Doña Elvira. Sie habe Heimweh gehabt. Und bei dem Feuer einen Freund verloren, fast noch ein Kind. Überhaupt die Kinder. »Manche leben nur nachts, sie spielen erst, wenn alles schläft«, erzählte er ein wenig stockend; allein das Flunkern ging ihm von den Lippen wie sein Atem.
Mayla unterbrach ihn kein einziges Mal. Sie war bemüht, jedem Satz zu folgen. Erst als er minutenlang nichts mehr erzählt hatte, holte sie sich eine Zigarette. Sie leckte daran und roch am Tabak, behielt die Zigarette eine Weile in der Hand und warf sie dann in den Herd. Kurt Lukas erkundigte sich nach ihrer Arbeit, Mayla schilderte den Tageslauf. Das Durchsehen der Post, das Empfangen von Bittstellern. Das Abstimmen von Terminen mit dem Bischof, die Fahrten mit ihm, die Mahlzeiten mit ihm. Das Erledigen der Korrespondenz, das Anlegen von Akten. Besucher durch den Garten führen. Die Abendmesse hören. Aufräumen. Eigentlich erzählte sie nichts. Zum Beispiel kein Wort über ihr täglich wachsendes Wissen von den Vorgängen auf der Südinsel, von den sachten Veränderungen. Wer sie vorantrieb, wer sie behinderte. Oder kein Wort über ihren zunehmenden Einfluß in Infanta, wie sie Arbeit vermittelte oder Gespräche darüber führte, was den Ertrag eines Stück Lands steigern könne. Ihre Diskretion ging so weit, daß sie verschwieg, wie sehr sie sich durch die neue Aufgabe veränderte. Mayla war nicht mehr in erster Linie reizvoll, das kam nur dazu; sie war erfolgreich. Das schier Unmögliche konnte sie möglich machen, Spendengeld in richtige Hände leiten, Staatssekretäre ans Telefon bekommen, Stundungen erreichen, Instanzen überspringen. Mit der Rückkehr von Kurt Lukas fehlte ihr nicht mehr viel zum Glück, etwa ebenso wenig, wie ihr zum Unglück fehlte. Nur Hazel und De Castro wußten von ihrem Zustand. Der Bischof hatte sogar seinen kleinen Vorrat an Sekt angebrochen. Ein Kind sei immer gut – »Don’t worry.«
Mayla drehte sich auf die Seite und streichelte den Mann neben sich. Wind hatte die Wolken geöffnet; am ganzen Himmel blinkten Sterne. Ihr Licht schien nah. Auch der Gesang aus der Bude klang nah. Und nah waren die Baumkronen, der wärmende Steinherd, der Boden. Mayla zog
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