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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Und jeden Zweifel daran bekämpfen. Und über die Abtötungen schweigen. Wie Bruder Gussmann geschwiegen hatte. Das ganze letzte Jahr mit ihnen hatte er fast nur geschwiegen, seine Liebe verschwiegen. Und am Tage des Austritts war er durch den Garten gelaufen und hatte sie hinausgeschrien wie einen Schmerz. Immer noch hörte man von diesem Herausschreien ein schwaches Echo. Ich liebe Mayla, ich liebe Mayla. Jedenfalls hörte er es, und die anderen hörten es wohl auch; so hartnäckig, wie sie nie ein Wort darüber verloren, mußten sie es hören. Er schlug sein Wetterbuch noch einmal auf. »Gibt es eine durch Mark und Bein gehende menschenfreundliche Liebe? Eine ohne Verrat, eine ohne inneres Gegenteil?« schrieb er. »Gibt es ein anderes Paradies als das in Aussicht gestellte? Ein echtes Verschmelzen mit einer Frau, sich umarmend, streichelnd, küssend? Nacht für Nacht einen Menschen lieben, ohne sich dabei vom Kreuz zu entfernen; gibt es das, und wenn ja, wie sieht es aus, das Versäumte?«
    McEllis machte einen Absatz. Er wußte recht genau, wie das Versäumte aussah, und darum schrieb er es nicht auf. Er schloß die Büchse mit dem Klebestoff und öffnete das Fenster.

K urt Lukas in Infanta, Heftchenverleiher, Erbe, Geliebter. Seine Umgebung. Die Hütte einer Wäscherin, ein Schönheitssalon, eine Garküche; Hunde und Schweine. Sein Ruf. Deutscher aus Rom, in angesehenen Magazinen abgebildet, Hausfreund der Alten, Eroberer ihrer Ziehtochter Mayla, jetzt Sekretärin des Bischofs. Die Gerüchte. Eventuell Gussmanns Sohn, darum Erbe des früheren Priesters. Vielleicht auch Schauspieler, Nebenrollen. Oder ein Mayla zugespielter verirrter Tourist, woran niemand ernsthaft glaubte. Oder doch Literat, wie auf der Anzeige in Newsweek. Oder nichts von alledem; ein Berater, CIA. Mister Kurt. Jeder kannte seinen Namen, jeder kannte seinen Tag.
    Frühstück ließ er sich aus der Garküche kommen, Nescafé, Rührei, Fladenbrot, Früchte. Danach Rasur und Gymnastik. Gegen neun zog er das Gitter hoch. Erste Kundschaft waren die Friseusen aus dem Schönheitssalon. Hatten sie nichts zu tun, kamen sie herüber und blätterten. Die Preise waren unverändert. Das Einzelheftchen ein halber Peso, eine Stunde überall blättern zwei Pesos; neu war die Einführung eines Tagesabonnements, zunächst nur an Wochenenden. Neu war auch seine Garderobe – jeden Montag kam der Schneider. Kurt Lukas ließ sich helle Stoffe zeigen, probierte ein in Arbeit befindliches Tropenjackett, regte Verbesserungen an und vergab weitere Aufträge. Dienstags erschien der Grossist. Er fuhr einen Volkswagen voller Heftchen, die er nach Gewicht verkaufte, und gewährte Kredit. Jeder im Ort gewährte Kurt Lukas Kredit. Ein kleiner Schuldenberg wuchs, der erste in seinem Leben.
    Über Mittag schloß er den Laden und schlief. Gegen zwei kamen die Schulkinder, da mußte man aufpassen. Und ab fünf begann schon das Abendgeschäft. Die meisten fragten nach Liebesgeschichten; er hatte einen Wühltisch eingerichtet. Treuester Wühler war der Poststellenleiter. Jesus Fidelio suchte aber auch das Gespräch. Ob es nicht Zeit sei, wieder nach Mailand zu telefonieren, hieß seine Standarderöffnung, und Kurt Lukas’ Antwort war ein Händeringen. Natürlich müßte er Beatrice anrufen, ihr sagen, daß sie erst ab Mai mit ihm rechnen könne. Und sich Geld schicken lassen. Dollars oder Schweizer Franken, dazu hatte Doña Elvira geraten. »Man erwartet das von dir, harte Währung.« Die Sängerin erschien jeden Vormittag im Laden und sprach von jüngsten Bühnenerfolgen. Ihr Lokal sei auch in einer Zeitung erwähnt worden. Als übelbeleumdet. »Kein Jahr mehr, und die Bude ist der berühmteste Nachtclub im pazifischen Raum.« Nach der Zukunftsmusik kamen die Sorgen. Ihr Mädchen für alles, Ferdinand, habe den Stimmbruch, er rieche geradezu nach Reifungsprozessen. Und seine Tante Hazel wolle zum klassischen Striptease zurückkehren; sie und alle Bedienungen bekämen seit der Revolution erbauliche Schriften zugestellt, eine habe schon gekündigt. Doña Elvira war ernsthaft beunruhigt. Sie hatte Kurt Lukas den Vorschlag gemacht, unter ihr zu arbeiten. »Deine Aufgabe wäre nur, Anreiz zu sein.« Nach einer Absage durch einen Handkuß war sie ihm sogar mit der Idee einer Geschäftsverbindung gekommen, und er hatte ihr den Wochenumsatz gezeigt: hundertsiebenundachtzig Pesos. Vermutlich kein Gewinn. Er wollte sich da nicht festlegen. Seit seiner Rückkehr, und das hieß nach einer

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