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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Publikum wuchs. Kurt Lukas ging mit dem Brief in die Hütte. Augustin schilderte noch das Nachspiel, aus dem, wie von selbst, ein neuerliches Vorspiel entstanden sei, verglich sich zwischendurch mit einem Geigenschüler und warf schließlich die Frage auf, über welche Mittel er verfüge, um sich dem Menschen, den er liebe, vielleicht doch irgendwann zu nähern. Da gebe es einmal, Grace zufolge, sein erfrischendes Äußeres, ferner die Unbescholtenheit seines Wesens – so Demetrio – und vor allem das sichere Gefühl, am ehesten durch Zurückhaltung eine Frau zu gewinnen. »Vielleicht belächelst du es«, endete er etwas abrupt, »aber der Weg, der schon hinter mir liegt, hat mich für den Rest der Strecke unbeirrbar gemacht. Dein dankbarer Sohn.«
    Kurt Lukas versteckte den Brief und kehrte zurück in den Laden. Die drei Verkäuferinnen waren nicht mehr da. Vor Ablauf ihrer Stunde gegangen, also unzufrieden. Er hätte sie beraten sollen – etwas mit Ehebruch wollten viele, eine Seitensprunggeschichte, die glücklich ausging. Und natürlich gab es da eine Serie – Gefährliche Liebe –, aber die wenigsten Hefte waren zu empfehlen. Mal taugten die Bildchen nichts, mal das Papier, mal der Text. Er sollte die besten heraussuchen. Zehn Hefte, bei denen alles stimmte, Illustration, Material und die menschliche Seite. Dafür ein Sondertisch, der Tisch der zehn Hefte. Zweifellos hatten die drei Verkäuferinnen mehr erwartet als nur seine Nähe. Kurt Lukas setzte sich wieder hinter die Theke.
    Ein günstiger Platz, Blick auf den Weg, Blick auf die Nachbarn. Von den Grillständen kam Rauch und zog über die Hütten und Stauden. Von der Bude kam Musik. Und von der Garküche kam ein Junge und brachte ihm Hühnerschenkel mit aromatischer Soße, dazu kaltes Bier. Borromeo. Sein Lohn war freies Wühlen; wenn er kam, war es acht. Mayla erschien gegen neun. Spätestens um halb zehn ließ Kurt Lukas das Gitter herunter; gegen elf zog Mayla sich schon wieder an. In Rom war alles fließender. Aber auch weniger zuverlässig.
    Er aß und trank; nur noch die Frau, die das Modeheft verlangt hatte, saß auf einer der Bänke. Ab und zu schaute sie ihn an, und er nickte. Wie ein Paar, das einander zum Schweigen verurteilt, saßen sie da. Natürlich kannte die Frau ihn, während er sie noch nie gesehen hatte, das Problem der Prominenz. Als sie aufstand, verbeugte er sich. Sie ging, und niemand kam mehr. Feierabend. Kurt Lukas kehrte Zigarettenkippen und Kaugummis von dem gestampften Lehmboden unter den Bänken, rückte die Bänke gerade und zählte seine Tageseinnahmen. Sechsundfünfzig Pesos. »Na also«, sagte er auf deutsch. Irgend etwas an dem Heftchenverleih, an diesem Ladenbesitzersein und Unternehmerleben in Infanta, an diesem kleinen Auslandsgeschäft machte ihm großes Vergnügen.
    Etwas später als sonst erschien Mayla, erschöpft, aber nicht kaputt, eine schöne Ermüdete. Er ging mit ihr hinter die Hütte, und sie wärmte sich Essen auf; leise und mit vielen kleinen Pausen, in denen sie ihn ansah oder die Zutaten abschmeckte, erzählte sie von ihrem Tag. Ein guter Tag. Morgens ein Treffen zwischen De Castro und Vertretern der Landarbeiter, Umrisse eines Sozialplans, Reform des Pachtsystems; sie führte Protokoll. Mittags Gäste, ein Priester aus den Stammesgebieten, ein Redakteur aus Davao, die Frage der Waldvernichtung, Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu Rebellen; sie saß mit bei Tisch. Nachmittags Korrespondenz, die Sorgen abgelegener Gemeinden, sie bestimmte die Reihenfolge der Briefe, deren Dringlichkeit. Gegen Abend ein Anruf aus Singapore, Gregorio betreffend. Später noch eine Sitzung im Gemeindehaus zur Lage junger Frauen, die in die Städte abwanderten, sich dort verkauften. Schließlich ein kurzer Gang mit dem Bischof durch den Garten, Besprechung des morgigen Tags. Sie mußten in die Berge. In einer Goldgräbersiedlung waren Kinder umgekommen, durch Quecksilber, hieß es; ein Massenbegräbnis, und es gab keinen Friedhof. »Der Bischof und ein Priester aus der Gegend müssen erst Erde weihen«, sagte sie.
    »Und wir zwei müssen nach Rom«, sagte Kurt Lukas. »Mitte Mai wäre ideal.«
    Mayla holte das Essen vom Herd, gedünsteten Fisch mit Reis und Gemüse, und setzte sich auf ihren Fuß. »Vielleicht im November. Oder in einem Jahr.« Wie immer aß sie mit der Hand. Sie drückte den Reis zu Klumpen, tunkte die Klumpen in einen schwarzbraunen Sud und schob sie sich in den Mund. Zwischendurch trank sie Wasser. Sie

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