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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Affäre und einer Revolution, Rettung aus höchster Not und einem Menschen auf dem Sterbelager, beschwor er nur noch zweierlei – erstens, Mayla liebte ihn; zweitens, diese Liebe tat gut.
    Und diese Liebe machte häuslich. Inzwischen schlief er nicht mehr in dem Laden, sondern bewohnte die angrenzende Hütte, nachdem sie von der Wäscherin gereinigt worden war. Mayla hatte ihm ein Schlafgestell, eine Matte und ein Bettuch besorgt – bis er sich dann etwas Eigenes anschaffe. Sie kam ihn jeden Abend besuchen, blieb aber nie über Nacht. Ihre Zärtlichkeit beglückte ihn immer noch; vor und nach der Liebe entwarf er Programme, was sie wo, wie und wann in Rom tun könnten, wenn sie im nächsten Monat dort seien. Mayla äußerte sich dazu nur mit einem weichen Okay , aus dem nicht einmal hervorging, ob sie überhaupt mitkommen wollte. Wenn sie sich mit kleinen Küssen verabschiedet hatte, lag er wach.
    Nacht für Nacht feilte er an dem Rom-Programm. Er verbesserte es ständig, ließ es anders beginnen, erfand neue Steigerungen, verfeinerte die Höhepunkte und ließ es gelungener enden. Und er verbannte Mißverständnisse, Langeweile und jede Art kleinlicher Angst daraus. Bei allen Versionen handelte es sich stets um den kompletten glücklichen Sommer. Und dabei dachte er an eine Mayla, die noch etwas vollkommener war als die, die er kannte, ohne Infantas Erde an den Sohlen, eine fremdartige Frau, mit der er trotzdem eine Sprache spräche, Deutsch. Ein melodiöses, auf einen ihm vertrauten Dialekt gebettetes Deutsch mit ein wenig Italienisch dazwischen, für die Komplimente, und einer Auswahl Halbsätze, wie man sie nur in Amerika hört, fast gesungen, für Ironie und Kitzel. Eine universelle, überall beheimatete Mayla schwebte ihm vor, ein Mensch, der ihm das Gefühl gäbe heimzukehren, wo immer sie sich aufhielten. Denn er war ja nicht in Rom zu Hause oder stolz, in Rom zu wohnen; die meisten Sehenswürdigkeiten stießen ihn ab. Dieser abstoßende Navona-Platz, größter deutscher Vorhof. Diese abstoßende Spanische Treppe mit ihren Gerüchen nach Schülerschweiß und Urin und der kleinen Müllkippe unter dem Haus, in dem de Chirico gemalt hatte. Und dieser rundherum abstoßende Busbahnhof-Petersdom. Da wurde sein Auge in Infanta weniger gestört. In Rom mied er ganze Stadtteile, hier ging er überall spazieren. Auch wenn er nach dem Anblick des herausgerissenen Herzens geflohen war, so hatte ihn der Brief doch zurückkehren lassen; natürlich dachte er daran, daß Mayla bald mit ihm käme.
    Sie beide in Rom. Mit Vergnügen würde er ihr Kirchen zeigen, erst die Kirchen, damit sie sich heimatlich fühle, dann die Via Condotti mit Nebenstraßen, damit sie sich verwandle. Such dir aus, was du willst, würde er sagen und doch an ihrer Stelle Kleider, Wäsche, Blusen wählen und später Fragen beantworten, die sie hätte. Was ist das für ein Tor, Lukas? Das ist kein Tor, Mayla, das ist ein Triumphbogen. Und alle Fragen stellte sie mit ihrer leisen, musikalischen Stimme; wie viele Frauenstimmen hatten ihn schon enttäuscht – ging das Licht aus, zählten nur noch Stimme und Haut. Er liebte Maylas Stimme. Keine andere Frau hätte seinen Nachnamen so mühelos als Vornamen aussprechen können. Und er liebte ihre glänzende Haut und wollte sie auf seiner Terrasse sehen, sobald der April mit den immer wieder ungünstigen Lichtverhältnissen vorüber war. Und was würden sie dann, in der langen Saison ab Mai, nicht alles machen! Im Freien frühstücken. Spazierengehen. Nachts telefonieren, wenn er bei Aufnahmen wäre; sie hatten ja noch nie telefoniert. Also Telefongeflüster, natürlich gekrönt mit einer Verabredung. Piazza Barberini, die Bar am Metroeingang, gegen vier. Sich treffen, küssen, sitzen, schauen. Danach Einkäufe, Via Sistina, Schuhe. Und abends die Terrasse. Einander ansehen. Über die Stadt sehen. Einander abermals ansehen. Sich hinlegen. Und es tun, in aller Ruhe. Und dann schlafen. Morgens, noch im Bett, eine Reise erwägen, sein Vorschlag: Gardasee. Das unendlich glatte Wasser bei Torri, wenn die Sonne hinter Saló untergeht. Abfahrt sofort. Autofahren, einen Schlager mitsingen, Il Mondo, was sonst. Ankunft bei sich beruhigendem See. Ein angenehmes Haus suchen, ein angenehmes Zimmer beziehen; auf den Balkon gehen, solange der andere im Bad ist. Über das Wasser schauen und alles vor sich haben. Im Grunde sehnte er sich nach dem ersten Mal. Mit Mayla, unter besten Bedingungen, von vorn beginnen, das war

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