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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Sich einem anderen restlos auszuliefern ist eine Sache des Vertrauens, nicht der Anziehung. Und wem vertraut man schon.« Sie tauchte ihre Finger in das Glas und rieb sich das Wasser auf Schläfen und Hals.
    »Was heißt Vertrauen, Madam?«
    »Sicher zu sein, daß jemand das Beste für Sie will.«
    »Und Lukas wollte das nicht?«
    »Ich habe es verhindert.«
    »Aber Sie legten sich zu ihm.«
    Elisabeth Ruggeri ging jetzt auf und ab; sie sprach vom Klima in der Hauptstadt und den Zimmern im Luneta Hotel, von den früheren Begegnungen mit Kurt und ihrem Aufeinandertreffen, während Ausnahmezustand herrschte. Plötzlich blieb sie stehen: »Und manchmal dient das Bett einfach dazu, um ein Lebenszeichen von sich zu geben.«
    Mayla zog die Sonnenblende wieder hoch. »Ich glaube, ich möchte, daß Sie dann gehen.«
    »Darf ich Ihnen noch etwas vorlesen? Nur einige Zeilen, sie sind leicht zu übersetzen« – Elisabeth Ruggeri hatte die Stelle schon aufgeschlagen – »Ein Hotelpark, nachts. Die Luft wie ein Pelz, weich, schwer und warm. An meiner Seite ein Mann, nicht älter als ich. Wir hören das Konzert der Frösche, wir sehen Hubschrauber über der Stadt; Brandgeruch und Musik kommen von den Hütten hinter dem Park. Im Takt berühren sich unsere Hände. Wir haben zwanzig Stunden Zeit, sagt der Mann. Vor morgen abend erwartet niemand die Revolution . . . Das war’s.«
    »Dann begleite ich Sie jetzt hinaus, Madam.«
    »Hat es Ihnen gefallen?«
    »Natürlich.«
    Elisabeth Ruggeri nahm ihren Schirm. »Ich denke nicht, daß es Ihnen natürlich gefallen hat. Das wäre ein bißchen zuviel verlangt. Sehen Sie, für mich ist nichts natürlich. Nicht einmal der Gebrauch dieses Schirms. Was meinen Sie, welche Bedeutung bei uns der Frage zukommt, ob es sich hier um einen Regenschirm oder um einen Sonnenschirm handelt? Das reicht bis Tschechow, was da mitschwingt; kein Vergnügen, glauben Sie mir, nur eine einzige Anstrengung.« Sie spannte den Schirm auf und enteilte ins Grelle.
    Mayla war erschöpft; bald lag über dem ganzen Gespräch ein Schleier wie früher über Schulprüfungen, kaum daß sie vorüber waren. Sie zog die Illustrierte unter den Telegrammen hervor und sah sich das Foto vom Flughafen an. War das sein Gesicht, wenn er sich über sie beugte – sie ging mit dem Heft ans Fenster, und Augustins Brief fiel zwischen den Seiten heraus. Sie hob ihn auf. Warum hatte er ihr, und das in aller Frühe, diese Sendung vor die Tür gelegt, zweimal Lukas in Farbe und ein erschreckend dickes Schreiben? Sie öffnete das Kuvert, und ein Bündel von Blättern, kreuz und quer gefaltet, quoll ihr entgegen. Der Anfang war mit Pfeilen markiert. Er lautete so:
    »Liebe Mayla, ich habe letzte Nacht nur geschrieben. Ich konnte nicht schlafen. Verzeih mir den langen Brief. Aber Du schreibst ja auch lange Briefe. Woher ich das weiß? Ich erhielt einen prallen Umschlag, auf dem mein Name in Deiner Schrift stand, und das hat mich auf den Gedanken gebracht, in diesem Umschlag sei ein Brief an mich. Doch es befand sich nur ein Zettel darin; alles Pralle war an unseren Freund Kurt adressiert. Und da habe ich das Schlimmste getan, was ein Mensch in dieser Lage tun kann. Ich habe Deinen Brief gelesen; ich mußte einfach wissen, wie ein Liebesbrief aussieht. Das weiß ich nun, und dafür danke ich Dir unendlich. Ein erster, winziger Dank ist diese Illustrierte; da sie bis heute abend ausverkauft sein dürfte, habe ich noch rasch ein Exemplar besorgt, damit Du die zwei Bilder hast. Es scheint sich dabei auch um zwei Menschen zu handeln. Aber das nur am Rande. Mein eigentlicher Dank sieht anders aus. Ich dachte mir, wenn ich Deinen Brief schon gelesen habe, sollte ich ihn auch beantworten. Mayla, ich schreibe jetzt, wie ich Dir geschrieben hätte, hättest Du den Brief an mich gerichtet. Das mag Dir unverschämt vorkommen, ja, vielleicht wie ein zweites Verbrechen nach dem ersten. Aber Du mußt es ja auch nicht als Dank dafür annehmen, daß mich jeder Deiner Sätze klüger gemacht hat; meinetwegen nimm’s als Buße. Doch genug der Vorrede. Blättere um und lies.« Und Mayla blätterte um und fand einen Brief im Brief. Er war verpackt, geheftet und gegliedert wie ein geheimes Manifest, die Schrift schien noch feucht. Ihr war, als halte sie etwas in der Hand, auf das sie gut aufpassen müsse, und so kam sie gar nicht dazu, ihrem Zorn auf den Novizen nachzugeben. Sie schenkte sich Eiswasser ein, setzte sich hinter den Schreibtisch und las.
    Weder

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