Infanta (German Edition)
hast, werde ich dir erzählen, was dir Mayla durch mich ausrichten läßt!« – mit diesem Versprechen hatte er ihn aus der Kirche gelockt. Wie an jedem Sonntag ging der frühere Priester mit einem speckigen Köfferchen durch den Ort. In der anderen Hand hielt er einen Strohhut und wedelte damit vor seinem Gesicht; bis auf den gediegenen Hut war er mit feinen Blutspritzern übersät. »Von armen Viechern«, erklärte er etwas unbestimmt und schlug im selben Atemzug vor spazierenzugehen.
Sie bogen in einen Weg, der in das Tal führte. Maisrösterinnen entfachten ihre Kohlefeuer. Frauen hinter Grillständen spießten Fleischfetzen auf kleine Stöcke und wedelten mit etwas Pappe Luft in die Glut. Männer trugen ihre Hähne nach Hause. Kinder standen mit eingeseiftem Haar vor den Hütten. Der Abend brach an.
»Was läßt Mayla mir ausrichten?«
»Sie läßt dir sagen, du solltest für Schwester Angel und den Bischof beten.«
»Ist das alles?«
»Glaubst du, Wertester, sie würde mich benützen, um mit dir ein Rendezvous auszumachen? Aber dafür soll ich dir noch sagen, sie müßte jede Stunde für Schwester Angel und den Bischof beten und hätte daher wenig Zeit.«
»Warum hat Mayla mir das nicht selbst mitgeteilt?«
»Weil Mayla dir nicht begegnet ist. Aber mir. Und davon ausging, daß wir uns träfen.«
»Sie hätten mir das auch in der Kirche zuflüstern können. Ich wäre gern noch geblieben.«
»Alles Wichtige war gesagt. Und ohne Nennung von Namen. Hut ab vor McEllis. Ein Bravourstück. Bis er mich sah und etwas nervös wurde. Wie McEllis eben so ist. Sie kennen ihn ja, Sie sind ja mit ihm Moped gefahren, Sie waren ja sein Mitfahrer; wenn Sie mir das Du entziehen, entziehe ich es Ihnen auch.«
»Das muß nicht sein«, erwiderte Kurt Lukas.
»Ganz wie du willst.«
Sie kamen an niedrigen Behausungen vorbei, wie von Bäumen gefallene Nester, und Läden in Form einer Cola-Dose mit einem Fenster unter dem berühmten Schriftzug; in jedem Fenster standen große Gläser mit kleinen Bonbons. Für einen Spaziergang gingen sie etwas zu schnell.
»Und fällt mein Name auf der Station?« fragte Gussmann auf einmal.
»Nein. Jedenfalls nicht, wenn ich im Raum bin.«
»Auch nicht in der Stunde des Drinks?«
»Auch dann nicht.«
»Vielleicht haben sie mich nur leise erwähnt. Sie sind etwas seltsam wie alle Jesuiten. Man sieht sie nie mit einem Regenschirm und hört sie niemals laut reden.«
Beide schwiegen eine Weile und berührten sich ab und zu mit den Armen beim Gehen. Glühwürmchen zeigten jetzt den Wegrand; es war Nacht geworden.
»Wohin wollen wir?«
»Wir wollen zu mir.«
»Weshalb?«
»Flores hat für uns ein Essen bereitet. Aber erwarte nichts Besonderes. Sie kocht solide. Manchmal sogar ein deutsches Gericht. Knödel. Oder grüne Soße mit harten Eiern; aber nur wochentags, keine Angst. Wie ist es in Deutschland im Augenblick, kühl?«
»Es dürfte schneien.«
»Mein letzter Schnee liegt vierzig Jahre zurück.« Scheinwerfer tauchten die Hütten vor ihnen in mondgelbes Licht. Ein Jeep mit vier Soldaten überholte sie, und der frühere Priester zog höhnisch den Hut. »Sie tun so, als ob sie den Bischof suchten. Dabei hat ihn entweder das Militär selbst entführt oder die Polizei oder Leute aus der Privattruppe des Ex-Gouverneurs.«
»Und was ist am wahrscheinlichsten?«
»Daß man ihn umbringt.« Gussmann zeigte auf eine quer zum Weg errichtete breite Hütte, deren vorderer Teil ein Laden war. Auf einer Tafel über dem Dach stand in angenagelten Buchstaben Wilhelm’s Book Store . »Wir sind da.« Er zog ein Gitter hoch und schaltete zwei Leuchtröhren an. Über der Theke hingen an langen Schnüren verblichene Heftchen, Geschichten von Weltraumhelden und Monstern, Liebespaaren und Dämonen. Etwas verborgen zwischen den Heftchen hingen auch Bücher, von Sonne und Feuchtigkeit gekrümmte Erstausgaben, erschienen in Deutschland vor dem letzten Krieg. Hinter der Theke standen Bänke ohne Lehne. »Wer sich etwas leiht, der kann es hier lesen«, sagte Gussmann. »Die Bücher sind nur noch Dekoration. Seit es einen Filmladen im Ort gibt, sind sie nicht mehr gefragt. Früher haben Leute noch darin geblättert, um überhaupt ein Buch zu berühren. Manche haben die Bücher sogar mit in ihre Hütten genommen. Ich selbst kenne sie auswendig. Wenn du sie haben willst« – der frühere Priester machte eine Handbewegung, als wolle er den ganzen Laden verschenken.
»Danke, jetzt nicht«, sagte Kurt Lukas
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