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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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er hat doch noch kein Abendessen versäumt. McEllis korrigierte ihn und sagte, Mister Kurt habe schon zweimal das Abendessen versäumt. Er hob zu einem regelrechten Vortrag an, den er mit seinen käuzchenhaften Südstaatenlauten spickte. Sprach davon, als was für ein Geschenk er es ansehe, überhaupt einen müßigen Mann wie Mister Kurt getroffen zu haben, erwähnte dessen Blick, der alsbald in die Küche gegangen sei, sprach mit erregter Stimme von Mayla, die an einheimischen Bewerbern nicht das geringste Interesse gezeigt habe, sprach von ihrer seltenen Schönheit und ihrem einzigartigen Wesen, die sie wahrscheinlich zur Einsamkeit verdammt hätten, und kam schließlich zu dem Ergebnis, daß unsere Motive für ein Sichfinden der beiden doch im Grunde christlich seien. Sah mich darauf zu der Entgegnung veranlaßt, daß unsere Motive in dieser Angelegenheit nicht etwa alle auf der Hand lägen, sondern auch im dunkeln.«
    Der bleiche Priester zog die Brillenbefestigung stramm und riß ein neues Blatt vom Block. Wie oft hatte ihn dieses unverwechselbare Geräusch, wenn es von nebenan gekommen war, neidisch gemacht; jetzt würde es McEllis auf die Nerven gehen – der, wie man hören konnte, nur langsam vorankam. Butterworth schrieb mit einem Brettchen als Unterlage, das er schon in seinem römischen Studienjahr benutzt hatte. Und wie immer gebrauchte er einen Bleistift, den er von Zeit zu Zeit nachspitzte.
    »McEllis«, fuhr er fort, »teilte begreiflicherweise meine Auffassung von den dunklen Motiven nicht, und Dalla Rosa brachte die Konsequenzen der Geschichte auf eine einfache Formel: Wenn Mister Kurt mit ihr hier schlafen sollte, dann müßte er uns verlassen – unsere Hausordnung sieht so etwas nicht vor. McEllis sprach darauf von einem kleinlichen Junktim und legte dar, daß über diese Liebschaft bald ein offenes Gespräch mit Mister Kurt geführt werden müßte. Natürlich gehe es nicht um Details, fügte er vorsichtshalber hinzu, und die Meinungen überschlugen sich. Ich: Geht es nicht immer um Details? Dalla Rosa: Nur wenn man keine Phantasie hat! Pacquin: Das Thema war für mich schon beendet. McEllis: Es endet mit dem Tod, nicht früher. Ich wieder: Mir reicht, was ich durch Gussmann über Leidenschaft weiß. – Das war das nächste Stichwort. Alle schwiegen, keiner wollte es aussprechen; mit Mister Kurt glaubte man Wilhelms hoffnungsloser Liebe ein für allemal einen Riegel vorgeschoben zu haben. Horgan erlöste uns dann aus dem unguten Schweigen. Er hatte Kräfte gesammelt und flüsterte, wir wüßten von den tollen Liebesdingen ja recht wenig, und dieses wenige liege bei jedem, grob geschätzt, fünfzig Jahre zurück. Mit Mister Kurt darüber Gespräche zu führen wäre also noch einmal ein Studium. Und hauchend schloß er, daß es im übrigen unsere Pflicht sei, jede Art Liebe zu fördern,fraglich sei nur, ob es sich um Liebe handle. Horgan sank in sich zusammen, fügte aber mit kaum hörbarer Stimme noch hinzu, jeder möge sich doch seiner eigenen Berührung mit der Liebe einmal gründlich erinnern. Unser Gespräch war damit unterbrochen. Ehe wir auseinandergingen, nahm mich Pacquin beiseite. Er erkundigte sich nach dem Porträt, von dem ich Dir eingangs erzählt habe, und ich versprach ihm, noch an diesem Abend die ersten Sätze zu schreiben. Natürlich habe ich schon ein wenig probiert, parallel zu den Entwürfen dieses Briefs, doch nun stürze ich mich richtig in die Arbeit; den Brief werde ich morgen oder übermorgen fortsetzen, hoffentlich mit guten Nachrichten über De Castro und Schwester Angel, für die wir nur beten können.« Butterworth legte die Blätter auf seinen Nachttisch und schlug ein Schulheft auf. Dort standen in Schönschrift seine ersten Übungen nach der langen Krise, die Anfänge seines Papiers , wie er das bestellte Porträt in bewährter Art nannte. Ein Papier war immer gut. Es zirkulierte, löste Debatten aus, kam abhanden, hielt in Atem, fand sich wieder, kurz, es führte ein eigenes Leben und gebar in der Regel neue Papiere.
    Der bleiche Priester schloß die Augen und sprach mit sich selbst. Sein halblautes Träumen drang bis an Pacquins feine Ohren und vermengte sich dort mit leisem Geseufze – Butterworth war nicht der einzige, der in dieser Nacht Luftschlösser baute; auch Horgan und Augustin schwebten in gefährlichen Höhen. Der eine sah sich auf dem Center Court, ein Lächeln der Herzogin von Kent erwidernd, ehe er zum Matchball antrat, sank dann in leichten

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