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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Bierhumpen, das war der sichtbare Luxus, den Gussmann sich gönnte.
    Er legte die Hände auf den Tisch und hob sie dann ruckartig an. »Etwas Wein? Seit vierzig Jahren schleppe ich eine Flasche Liebfrauenmilch mit mir herum. Ich bekam sie in El Paso geschenkt. Kennst du El Paso?« Gussmann lachte und war in Gedanken schon wieder entfernt von der Flasche; sie lag hinter den Bierhumpen, eingewebt wie das vergessene Opfer einer Spinne.
    »El Paso?« sagte Kurt Lukas, »nein, kaum.«
    »Ich habe dort ein paar Jahre verbracht, immer mit einem Fuß über der Grenze, im mexikanischen Dreck.«
    Flores räumte ab. Gussmann schaute ihr nach. »Oder ist dir noch übel, möchtest du Tee?« Er rief zwei Worte in den Hof, wechselte wieder ins Deutsche und sagte ohne Übergang, er hätte sich das nie gestattet, der einzigartige erste in Maylas Leben zu werden. Niemals. Kurt Lukas faltete die Hände im Nacken. »Sie kam zu mir, nicht umgekehrt. Seitdem haben wir uns kaum gesehen, nur zwei- oder dreimal im Garten.«
    »Sie kam auch schon zu mir«, erwiderte Gussmann.
    »Aber ging, wie sie gekommen war.«
    »Ich wußte nicht, daß du sie liebst.«
    »Nun weißt du es.«
    Flores brachte eine Schale mit heißem Wasser, in dem ein Teebeutel schwamm. Über Gussmann gebeugt, stellte sie die Schale auf den Tisch.
    »Aber mach dir nichts draus. Ich lebe nicht mehr lange, bis März vermutlich, und werde diese Sache mit ins Grab nehmen. Man müßte nur darüber nachdenken, wie es bis dahin weitergeht. Vermeiden wir Begegnungen, vermeiden wir sie nicht; oder vermeiden wir das Thema; oder vertrauen wir darauf, daß es schnell mit mir zu Ende geht.« Gussmann hatte Flores’ Hände ergriffen und streichelte sie. »Das alles nur für den Fall, daß du bleibst.«
    »Ich bleibe.«
    »Grund?« fragte er.
    »Sagen wir Neugier.«
    Flores zog ihre Hände zurück und flüsterte etwas. Der frühere Priester stand auf. Er holte ein Radio unter seiner Matratze hervor und stellte es an. »Flores hat eine furchtbare Angewohnheit: Sie weist mich auf jede volle Stunde hin.« Die Stimme Amerikas brachte Nachrichten. Der Entführungsfall war jetzt unter den zuerst verlesenen Meldungen. Die Sondereinheiten hatten ihre Suche angeblich verstärkt, der Präsident erwog das Kriegsrecht für die Insel.
    »Vielleicht sollte ich doch besser abreisen«, sagte Kurt Lukas. »Solange das noch möglich ist.«
    »In diesem Fall würde ich vorher gern erfahren, wer du bist, wovon du lebst und vor allem, was dich hierhergeführt hat.«
    »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.« Kurt Lukas ließ den Tee stehen und legte wie Narciso eine Hand an die Schläfe. »Gute Nacht.«
    Gussmann stellte das Radio ab. »Du bist nicht ernst genug für diese Geste«, sagte er und schob das Radio wieder unter sein Lager. »Und weißt von den Frauen hier so wenig, daß dir angst und bange sein müßte, da dich eine von ihnen offenbar liebt.« Er ging um Kurt Lukas herum und sah sich sein Haar an, seine Ohren, seine Arme, seine Augen, den Mund. »Bist du beim Film? Es könnte schon sein. Ich frage mich nur, was du in einem Kriegsgebiet machst. Sollst du einen tapferen Missionar spielen, ist es das? Oder einen revolutionären Priester, der sich verliebt? Treibst du Studien? Jedenfalls rate ich dir, daraus kein Geheimnis zu machen.«
    Kurt Lukas lief in den Hof, Wilhelm Gussmann holte ihn ein. »Ich zeige dir die Richtung.« Er begleitete ihn bis auf den Weg vor der Hütte. Die Nacht war sternenhell und laut. Hunde kläfften, Frauen lachten, Mopeds fuhren, und aus Doña Elviras Musikanlage knirschte es zwischen zwei Liedern. »Geh, bis du die Lichter der Bude siehst, dann nimm den ersten Weg, der links abbiegt. Und später rechts halten, der Stille entgegen, das kennst du ja schon. Wenn ich etwas unhöflich war, tut es mir leid.«
    »Ich war ja auch nicht höflich.«
    »Aber du schaust wenigstens danach aus.« Gussmann hustete. Hustend fragte er: »Liebst du sie?«
    »Vermutlich; ich weiß es nicht.«
    »Dann solltest du abreisen.«
    »Und alles wäre vorbei.«
    »Mayla würde dir schreiben.«
    »Bekäme ich auch Post von dir?«
    »Ich bin kein Freund von Geschriebenem. Man bereut es fast immer.«
    »Ich glaube, ich bleibe«, sagte Kurt Lukas und ging.

I n den Abendnachrichten nichts Neues zu De Castro. Wir beten für ihn. Erstaunlich, wie in den Staaten über die Entführung berichtet wird: als sei sie der Beginn einer Revolution. Erstaunlich auch, wie Mister Kurt reagiert: als genieße er es,

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