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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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müssen; während sich Kurt Lukas noch am Ohr zupfte, murmelte er schon trocken »Null-dreißig« und vergab dann einen Punkt. Sein Gegner drückte die Fäuste ans Kinn. Endlich sagte er auch etwas, »Dreißigbeide«, und schien davon so erschöpft, als sei er in der feuchten Hitze wahrhaftig ans Netz gestürmt und wieder zurück.
    »Doppelfehler«, konterte Horgan, »Dreißig-vierzig.«
    Der kranke Priester ließ den Kopf hin und her pendeln; er verfolgte die Bälle. In aller Sachlichkeit stellte er fest: »Game Mister Horgan.«
    »Also Seitenwechsel, Father.«
    »Ich stehe schon, Mister Kurt.« Horgans Kopf war wieder auf die Brust gesunken, sein Atem ging flach. »Fünfzehnnull«, hauchte er. Ein As.
    Sein erster Aufschlag traf selten daneben, und die harten Bälle waren auch noch tückisch geschnitten. Schon hieß es Dreißig-null, schon Vierzig-null, und Horgan machte den Vorschlag, daß der Gewinner dieses Satzes – für ein ganzes Match sei es einfach zu heiß – einen Wunsch frei habe. Darauf gelang seinem Gegner ein traumhafter Return – »Vierzigfünfzehn!« rief er über den Platz. Dieser heftige, früher auf Tennisplätzen unübliche Ton führte dann rasch zu Einstand und ließ Horgan sein Service nicht durchbringen. Plötzlich kam Schwung in die Begegnung. Der Deutsche mußte im dritten Spiel erneut seinen Aufschlag abgeben, schaffte aber gleich danach ein weiteres Break, ehe ihn die Nerven verließen; der alte Amerikaner ging mit drei zu zwei in Führung, baute seinen Vorsprung auf vier zu zwei aus, schlug auch weiterhin fehlerlos auf, um spätestens am Netz den Punkt zu machen, lag auf einmal mit fünf zu drei vorn und sagte endlich leise, aber unüberhörbar: »Set and match Mister Horgan.«
    Der Verlierer zog sein Hemd aus und machte sich Luft. »Ein schwerer Gegner waren Sie nicht, Mister Kurt.«
    »Ich habe noch nie so gespielt.«
    »Das dachte ich mir.« Horgans Stimme ließ nach, und das Buch glitt ihm aus der Hand. Kurt Lukas hob es auf. »Sie haben einen Wunsch frei, Father.«
    »Ich weiß. Aber Wünschen strengt an. Und Wünscheäußern noch mehr.« Horgan sammelte noch einmal Kraft. Sein Wunsch war die Antwort auf eine längst fällige Frage.
    »Lieben Sie Mayla?« flüsterte er.
    Die Hündin erwachte, streckte sich und kroch durch ihr Sondertürchen in den Flur. Kurt Lukas sagte ja, als habe er eine Münze geworfen. Ein Windhauch strich durch die Veranda und brachte den Geruch nasser Wäsche. Zwei, drei Minuten, dem unbemerkten Anfang einer Freundschaft ähnlich, vergingen; sie saßen nebeneinander und sahen und dachten dasselbe: Da stand der Novize und warf einen Blick durch die Kletterrosen auf ein Stück Wiese, über dem die Wäscheleine gespannt war, und eilte dann Richtung Küche, tipptopp umgezogen, in Turnhose und Sporthemdchen, obwohl ihm Mayla doch gar nicht über die Schulter sehen würde.
    Aber so dachten Erwachsene; Augustin sah sich in die Welt einer Unerreichbaren eintreten, um dort einen Defekt zu beheben. Er hatte noch nie einen Wasserhahn repariert. Doch gab es weitaus schwierigere Dinge, die sich nur durch Anmaßung ein erstes Mal bewältigen ließen. Etwa mit einer Frau zu schlafen; erleichternd war dabei bloß der Gedanke, daß dieses erste Mal zugleich das letzte Mal wäre. Es kam ja nur darauf an, endlich zu erfahren, wovon alle Welt immerzu sprach, um diese Dinge von da an souverän zu verneinen. Sein Lebensziel Missionar stand so fest, wie die Entschlüsse eines Jungen feststehen. Augustin wollte die ganze Menschheit lieben, was ihm unkomplizierter erschien, als sich an einem einzelnen zu versuchen. Andererseits gab es da seine Talente, besonders die helle Stimme, die Aufsehen erregte, und sein fast krankhaftes Gedächtnis für Schlager. Trotz aller Beschäftigung mit Christus und der Heiligen Schrift, mit Ignatius von Loyola oder den Lehren Spinozas war in ihm ein Archiv der Dreiminutenromanzen entstanden; er war ein Liebhaber ohne Erfahrung, er konnte alles und nichts, warum nicht auch einen Dichtungsschaden beheben – der Hahn über der Spüle tropfte.
    Der Novize legte sich zurecht, was er von Butterworth erhalten hatte – Klempnerzange, Hanf, Gummiringe, Schraubenzieher –, und nahm auseinander, was auseinanderzunehmen war. Das Wasser schoß aus dem Rohr. Es prallte am Becken zurück, ihm ins Gesicht, es ergoß sich laut und in Strömen. Es trommelte in die Blechwanne und fiel als dichter Regen auf ihn herab, als er sich bückte, um den Haupthahn zu suchen.

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