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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Zeit vor dem Blutbad. Sie erinnerte sich an die Hände des Vaters, der Körbe flechten konnte und einen Menschen anfassen, und an die Stimme der Mutter, einer umworbenen, schwer bestechlichen Frau, die ihr zur Liebe nur eins gesagt hatte: Du stirbst nicht daran.
    Mayla gab ihren Horchposten auf und begann mit dem Abwasch. Sie wollte nichts mehr hören, aber dazu war es zu spät. Auf jede Silbe, die noch in die Küche drang, konnte sie sich jetzt ihren Reim machen, erfuhr, wie interessant es doch sei, über die Liebe zu sprechen, erfuhr, wie behutsam man vorgehen sollte, um ihr nicht weh zu tun, und wie richtig es wäre, Gregorio auf die delikate Situation vorzubereiten. Mayla drehte das Wasser auf und klapperte mit den Töpfen, und trotzdem drangen noch Worte und Sätze an ihr Ohr. Als sie schon das Licht gelöscht hatte, hörte sie noch einmal ihren Namen, aber nun wie von nahem. Mit seiner immer dicht am Gesang balancierenden Stimme bemerkte Augustin mitten in das Tischpalaver: »Mayla ist wieder da, ich schmecke es deutlich.«
    In seinem Brief an Gregorio bezeichnete McEllis noch in derselben Nacht die Sekunden nach Augustins Beitrag als erschreckend und beglückend zugleich und verglich den Moment mit einem Wiederauftauchen von Totgeglaubten, als Beispiel führte er Tom Sawyer an. Danach skizzierte er mit einem einzigen Satz den Ausgang des Abends: »Als das Essen beendet war, wechselten wir in die Leseecke, um unser Tischgespräch dort fortzusetzen; dies mißlang.« Nach einigen Bemerkungen über Unregelmäßigkeiten im Leben auf der Station erwähnte McEllis wiederum den Novizen: »Ein gescheiter Junge, der Horgan neuerdings Geschichten erzählt, niemand weiß, welchen Inhalts. Aber Horgan zeigt jetzt, sobald es um Mayla und unseren Gast geht, ein eigenartig informiertes Lächeln.« Er schrieb noch, daß keiner die Absicht habe, diese Freundschaft zwischen Augustin und Horgan zu stören, ehe er zum Kern des Briefes kam, dem Liebesgeschehen unter ihrem Dach.
    »Zugegeben«, begann der entscheidende Passus, »ich habe nach einem Mann wie Mister Kurt Ausschau gehalten und war bei seinem plötzlichen Anblick geradezu wehrlos, was vielleicht auch am Wetter lag und an den vielen mir fremden Kindern in der Kirche. Aber ich hatte gar keine Wahl, ich mußte handeln. Die Zeit war reif. Jedes Lächeln von Mayla verriet, daß sie in Unserem Herrn keineswegs ihren künftigen Bräutigam sah; sie sah ihn aber auch in keinem der Burschen, die sich, stets unter Vorwänden, der Station genähert hatten. Sie sah nur uns, so schien es – uns und Wilhelm.« McEllis strich den Zusatz bis zur Unkenntlichkeit, entschlossen, den Brief noch einmal ins reine zu schreiben. »Nicht, daß wir mit unserer eher bescheidenen Virilität den Maßstab gesetzt hätten«, fuhr er fort, »jedoch sicher mit einer gewissen Weitläufigkeit – Weitläufigkeit, wie sie auch Mister Kurt besitzt, übrigens Lutheraner. Ich lud ihn ein, er folgte mir, und ohne einen Finger zu krümmen, gewann er ihr Herz. Es ist eine Liebesgeschichte, Du kannst es mir glauben. Sie spielt sich in bemerkenswerter Stille ab, fast unmodern heimlich, und gewiß nicht unter dem Eindruck der Tropen, die ja, wer wüßte es besser als wir, keinen Zauber mehr haben. Barfuß, nehme ich an, über die Guave vor dem Balkon, kam sie mit Vorsatz in seine Kammer, tief in der Nacht; wir hörten das Tap-Tap ihrer Zehen und natürlich ihr Streichholz beim Zigarettenanzünden. Unser deutscher Gast – er hatte sich am Abend zum ersten Mal außer Haus gewagt – stieß etwas später dazu, und dann war Lebendiges bei Lebendigem, wie man vermuten darf. Lange Zeit hörten wir nichts und endlich einen Laut, der durchaus zum Ruhme der Schöpfung beitrug. Mit anderen Worten, Mayla ist zur Frau geworden, die beiden sind ein Paar, sie schlafen zusammen, und das bei uns. Wir alle beten, dies möge gutgehen. In Christo, McEllis.«
    Dank ihres Talents zur Unscheinbarkeit hatte Flores in den Tagen auf der Station vieles gehört und manches gesehen. Eine Nacht lang fesselte sie Gussmann mit ihren Berichten, in die sie in bester Absicht kleine Unwahrheiten einfließen ließ; am anderen Morgen war der frühere Priester zwar auf dem laufenden, aber auch Opfer von Flores’ stillem Betreiben, ihn und die Alten wieder zusammenzuführen.
    Er wußte von den Schreibaktivitäten auf der Station und der erwogenen Rückkehr Gregorios, von den gleichgebliebenen Gewohnheiten eines jeden und den jüngsten Abweichungen

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