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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Karottensaft, Zimt auf dem Milchbrei und manchem Wort. Jahrelang habe sie auf diese Weise kleine Wünsche alter Männer erfüllt und den großen Wunsch eines Außenseiters unter ihnen an sich abgleiten lassen. Und damit begann Butterworth’ zweiter Ausflug, den wir alle durch scharfes Luftschöpfen abzuwenden versuchten. Er sprach über Mayla und Gussmann und sah vor Geblinzel nicht, wie starr sie dasaß mit ihrem abstehenden Haar und dem Ohrring; eine Fremde. Dieser Außenseiter machte sich frei für sie, sagte B., er verließ uns, und kein Gesetz stand mehr zwischen ihm und ihr, als sie volljährig wurde. Doch Mayla hat Feingefühl bewiesen und Geduld. Geduldig hat sie auf den Richtigen gewartet und es uns Alten vergönnt – und hier stürzte er sich in die dritte und verhängnisvollste Abschweifung –, ihren Schritt zur Frau gleichsam mitzuerleben, an der Seite eines Menschen, der sicher nicht so fiebrige Geheimnisse wie Wilhelm Gussmann besitzt, aber durchaus nach einigen Geheimnissen aussieht. – Butterworth hatte den Namen Gussmann kaum zu Ende gesprochen, da war Mayla aufgestanden und weder schnell noch langsam aus dem Raum gegangen. Sie schloß sogar die Tür leise hinter sich, und obwohl bestimmt alle den Atem anhielten, hörten wir nichts mehr von ihr, keine Schritte im Gang, auch kein Knirschen auf dem Kies, als sei sie lautlos davongeflogen. Spürte einen scharfen Stich in der Brust, glaubte, nun beginne das Sterben. Mayla hat uns verlassen. Nehme an, zum ersten Mal dachte sie nur noch an sich.«
    Seine Hand zitterte von der Anstrengung des Schreibens. McEllis stand auf und trat zur Wand. Nebenan wälzte sich Butterworth. Sollte er ihm leid tun? Etwas schon. Obgleich er hinterher mindestens vier Seiten gefüllt hatte; nein, wer noch schreiben kann, hat Abstand. Der fühlt sich vielleicht am Ende, aber ist nicht am Ende. Kein Grund, ihn zu bedauern.
    »Und Mister Kurt?« notierte McEllis noch vor dem Zubettgehen. »Der zog sich tote Haut von der Nase und erhob sich erst, nachdem ich bemerkt hatte, an seiner Stelle säße ich hier nicht mehr. Butterworth war schon wortlos verschwunden. Unsere Blumen standen sinnlos auf dem Tisch; aus der Küche roch es verbrannt. Habe selten einen deprimierteren Dalla Rosa gesehen. Habe auch selten einen zusammengesunkeneren Horgan erlebt und einen so verflüchtigten Pacquin, kaum noch von dieser Welt. Die Gans unter den Nachbarskindern verteilen, waren seine letzten Worte. Und ich? Hatte Stöße von Zetteln auf den Knien und fand nicht die Kraft, sie zu verbrennen. Jede Leidenschaft hat ihre Buchhalter, Gussmann möge mir verzeihen.«
    McEllis klebte den letzten Zettel in das Wetterbuch und erschrak über ein Weinen hinter seinem Rücken. West-Virginia war eingeklemmt. Die Hündin wollte aus der Kammer und war schon zur Hälfte im Gang, er befreite sie mit sachter Gewalt. Sie wimmerte und wand sich in seinen Händen, und da versprach er ihr, die Sondertürchen zu vergrößern. Mit leiser Stimme versprach er ihr auch Herz und Nierchen der Gans und eine leichte Geburt, wenn sie sich nur beruhige, setzte sie vorsichtig aufs Bett und kraulte ihren wehen Bauch, griff dann in seine Tasche, wo immer ein Zuckerwürfel vorrätig war, und fühlte das Korallenarmband.

M ayla hatte das Unvermeidliche getan, sie war zu Wilhelm Gussmann gegangen. Dort tat sie das Nächstliegende, sie schüttete ihr Herz aus. Und weil das Leben es so eingerichtet hatte, Flores nicht da war, folgte das Unglaubliche, sie schlief mit dem Greis. Die Tür zum Hof stand weit offen, um den geringsten Wind einzulassen.
    Aber es ging kein Wind. Ein niedriges Wolkentuch, monddurchschienen, schloß den Talkessel von Infanta. Auf allen Lebewesen lastete die Hitze. Lieblos operierte Hähne schrien, sobald sie sich mit den Flügeln Luft machen wollten. In der Bude gab es kein Ende. Wie immer in Brutnächten war Hazel frühzeitig gegangen. Vor ihrer Hütte war sie auf Kurt Lukas gestoßen, vom Anklopfen schon wund an den Knöcheln. Auch wenn Mayla nicht da sei, könne er hereinkommen, so Hazel beim Aufschließen, und er hatte sich von Maylas Abwesenheit überzeugt und vor sich hingesprochen, daß er nun zu Gussmann gehe. Dort hatte er das Unglaubliche sofort erfaßt. Nicht durch dessen Anblick, sondern in der weit offenen Tür und einer großen Ruhe. Das einzige Indiz hätte er fast übersehen, Maylas Sandalen im Hof. Auf allen vieren hatte er wenig später Doña Elviras Anhöhe erklommen, war im Schlafabteil

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