Infantizid
Ukraine!
Eine Durchsage des Bahnpersonals kündigte an, dass der Zug gleich in Frankfurt/Oder einfahren würde. Vor Matti Klatts Abteil stand eine junge Frau, die mit ihrem Handy telefonierte. Auf so eine Gelegenheit hatte er gewartet. Nur mit einem fremden Mobiltelefon konnte er unauffällig Hauptkommissar Bräunig eine Nachricht zukommen lassen. Eine andere Kontaktaufnahme war ihm nicht eingefallen. Als die das Gespräch beendet hatte, trat Matti Klatt an sie heran.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie einfach so anspreche. Ich habe mein Handy vergessen und muss noch ein wichtiges Gespräch innerhalb Deutschlands führen. Wären Sie so freundlich, mir Ihr Handy zu borgen? Selbstverständlich bezahle ich Ihnen das Gespräch.«
Die Angesprochene musterte Matti Klatt und lächelte. »Sie brauchen mir nichts zu bezahlen. Wie ich sehe, rauchen Sie. Wenn Sie fertig sind, geben Sie mir einfach eine Zigarette und wir sind quitt.«
Matti Klatt nahm das Telefon und ging in sein Abteil zurück. Unter anderen Umständen hätte er versucht, einen Flirt anzufangen. Diesmal stand ihm nicht der Sinn danach. Die Nummer von Bräunigs Mobiltelefon hatte er im Kopf. Eine sonore weibliche Stimme forderte ihn auf, eine Nachricht zu hinterlassen, da der gewünschte Gesprächspartner momentan nicht erreichbar sei. Matti Klatt erzählte von seiner Fahrt in dem Auto mit den verdunkelten Scheiben, seiner Nacht in dem Gesindehaus und den unbekannten Besuchern, die allesamt gestern Nachmittag auf dem Grundstück der Villa eingetroffen waren. Insgesamt nannte er 16 Fahrzeugtypen mit Farbe und Kennzeichen. Walbe, sein ehemaliger Chef bei der Diensteinheit IX, habe ihn empfangen und ihm mitgeteilt, dass er zu einer geheimen Mission nach Kiew geschickt werde. Worum es dabei genau gehe, wisse er nicht. Zum Schluss sagte Matti Klatt, dass er gleich in Frankfurt/Oder umsteigen müsse und sich wieder melden würde. Als er aufgelegt hatte, gab er der Frau das Mobiltelefon mit der versprochenen Zigarette zurück. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Matti Klatt nahm seine Tasche und begab sich zur Waggontür.
Etwa zur gleichen Zeit traf Oberkommissar Hubaczek auf dem Flur der Polizeiinspektion seinen Chef, Hauptkommissar Bräunig.
»Du solltest dein Handy eingeschaltet lassen«, sagte Hubaczek, »zum Glück bist du noch da. Wir müssen uns sofort zusammensetzen und die Befragung von Arndt auswerten.«
»Der blöde Akku war leer, es hängt noch an der Ladestation. Ich komme gerade aus der Klinik von Leichenkolbe. Das Schlimmste hat er überstanden. Trommle die anderen zusammen, wir treffen uns in fünf Minuten in meinem Büro.«
Das grüne Lämpchen der Ladeschale auf seinem Schreibtisch zeigte ihm an, dass der Akku wieder voll war. Er schaltete das Handy ein. Blass und mit dunklen Ringen unter den Augen trafen seine Mitarbeiter ein. Sie nahmen am Konferenztisch Platz. Bräunig informierte alle als Erstes über Leichenkolbes Zustand.
»Na, wenigstens mal etwas Positives«, sagte Fischer. Auch die anderen murmelten etwas wie »Gott sei Dank« und »Noch mal Glück gehabt« vor sich hin. Eine allgemeine Erleichterung machte sich zumindest in dieser Hinsicht breit.
»Finde ich auch. Er ist wirklich glimpflich davongekommen. Bleibende Schäden soll er nach Auskunft der Ãrzte nicht zurückbehalten. Was gibt es bei euch Neues?«
Klimm meldete sich zu Wort. »Die Fahndung nach dem Hessen läuft bundesweit. Leider wissen wir nicht, womit er unterwegs ist. Vorsichtshalber haben wir das auf ihn zuletzt zugelassene Fahrzeug, einen BMW, als Möglichkeit angegeben. Vielleicht haben wir Glück, bis jetzt ist er nirgends aufgetaucht. Die zwei Typen von heute Nachmittag, die bei Matti Klatt in der Wohnung waren, sind noch nicht vernehmungsfähig. Apropos Klatt. Hat der sich inzwischen gemeldet?«
»Nein, noch nicht. Also, Hubaczek, was hat dieser Arndt erzählt?«, entgegnete Bräunig.
Der holte das Aufnahmegerät aus seiner Tasche und stellte es auf den Tisch. »Ich denke, wir können ungefähr eine Fluchtrichtung von dem Hessen annehmen. Wir wissen, dass er Matti Klatt hinterhergeschickt wurde, um ihn zu liquidieren. Weiterhin wissen wir, dass Matti Klatt ein Kommando der Schwarzen Division führen soll. Das sagte er jedenfalls auf seiner letzten Kassette. Und eben teilte mir Arndt mit, dass sich ihr Ausbildungslager
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