Infantizid
werden, wenn die Handlanger gefasst waren. Arndt hatte gesagt, es sei Mord gewesen, deswegen war er als Leiter der Mordkommission informiert worden. Warum aber ging Arndt nicht zu einer beliebigen Polizeidienststelle und machte dort eine Aussage? Weshalb ging er ein solches Risiko ein und zog so eine Nummer ab wie heute Nacht? Für Hauptkommissar Bräunig gab es darauf nur eine Antwort: Die Aussage war dermaÃen wichtig, dass Arndt keinem anderen traute. Vermutlich ging es dabei um weit mehr als um diesen fingierten Unfall.
Die kurze Einfahrt vor dem âºHiltonâ¹ war hoffnungslos verstopft. Wenn der Bundesinnenminister und alle seine Landeskollegen in ein und demselben Hotel übernachteten, war das Verkehrschaos Normalität. Bräunig lenkte seinen Opel in die angrenzende QuerstraÃe und befestigte einfach sein Blaulicht auf dem Dach, als er im Halteverbot parkte. Er hatte es eilig, das Sondersignal empfand er als Legitimation, um dort zu parken. Auf dem Weg zur Rezeption wurde er zweimal angehalten und kontrolliert. Dort angekommen wollte er sich gerade nach dem Stockwerk erkundigen, in welchem der Innenminister residierte, als ihn ein Mann ansprach und ihm einen Ausweis vor die Nase hielt.
»Sicherungsgruppe Berlin. Sind Sie Hauptkommissar Bräunig?«
Bräunig holte seine Marke heraus und zeigte sie dem Sicherheitsmann auf die gleiche Weise.
»Richtig. Ob Sie es glauben oder nicht, Innenminister Schilling erwartet mich in einer dringenden Angelegenheit.« Bräunig steckte seinen Plakette wieder ein.
»Ja, ich weiÃ. Bitte folgen Sie mir. Der Minister empfängt Sie in seinem Zimmer.«
Beide gingen zum Lift und fuhren in die dritte Etage. Kurze Zeit später betrat Bräunig das Zimmer des Ministers. Er war allein und sah aus, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zugemacht.
»Nehmen Sie Platz. Ich möchte gleich zur Sache kommen. Alles, was ich Ihnen jetzt mitteilen werde, unterliegt einer strengen Geheimhaltung. Heute Nacht ist ein Mann in mein Zimmer eingedrungen und hat mich mit einer Pistole bedroht. Dieser Mann wollte weder Geld noch politisch etwas durchsetzen, mich erpressen oder Sonstiges dieser Art. Er wollte lediglich, dass ich ihn reden lasse. In der Tat, sehr ungewöhnlich. Zuerst sagte er mir, dass er sich der Tragweite seines Handelns bewusst sei. Weiter versicherte er mir, dass es nicht um ein persönliches Problem ginge. Aus diesen beiden Gründen habe ich dem Mann zugehört. Er sprach ungefähr vier Stunden, ununterbrochen! Was zutage kam, kann ich selbst noch nicht fassen. Leider gibt es für seine Aussagen keine handfesten Beweise und diese zu finden, wird nicht einfach werden. Erschwerend kommt hinzu, dass mir kaum Zeit zur Verfügung steht. Aus Sicherheitsgründen kann ich Ihnen nicht im Detail sagen, worum es geht. Sie werden sich fragen, warum ich mit Ihnen sprechen wollte. Ganz einfach. Erstens möchte ich, dass der Mann in Haft genommen wird. Sorgen Sie dafür, dass er eine Einzelzelle bekommt und mit niemandem Kontakt aufnimmt. Zweitens möchte ich, dass Sie ihn zu einem Vorfall befragen, der sich vor ein paar Jahren in Berlin zugetragen hat. Ein unnatürlicher Todesfall, offiziell angeblich ein Unfall, bei dem ein Lastkraftwagenfahrer getötet wurde. Der Mann, der im Nebenzimmer sitzt, bekam die Identität des Verunfallten. Der glich â¦Â«
Hauptkommissar Bräunig unterbrach den Innenminister. Er fand es an der Zeit, ihm reinen Wein einzuschenken.
»Der glich ihm in Aussehen, Alter, GröÃe und Statur. Entschuldigen Sie, Herr Minister, ich weiÃ, wer der Mann nebenan ist. Uns ist bekannt, dass der Unfall vorgetäuscht wurde, und wir wissen auch von der Organisation, die dahintersteckt. Wir haben einen Verdacht, weshalb Peter Arndt eine neue Identität benötigte. Er war Teil eines Komplotts gegen unseren Staat. Es geht um einen perfiden Plan mit dem Namen âºInfantizidâ¹.«
Innenminister Schilling war wie vom Donner gerührt. Fast vorwurfsvoll, dass er erst jetzt davon erfuhr, fragte er: »Sie haben Kenntnis davon? Seit wann? Und was genau?«
Bräunig beschloss, ihm die bisherigen Ermittlungsergebnisse mitzuteilen. Die Chancen standen 50 zu 50, dass der Minister zur richtigen Seite gehörte.
»Seit dem letzten Wochenende, wir sind durch Zufall darauf gestoÃen. Freitagabend wurde hier in unserer Stadt ein Raubüberfall verübt, in dessen Folge der
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