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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition)
Autoren: Manfred Köhler
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Vera und steckte das Kärtchen ein.
    „ Und Sebastian...“
    „ Ja?“
    „ Du kannst mich auch anrufen, wenn du quatschen willst, okay?“
    Ich muss ziemlich belämmert geschaut haben.
    „ Quatschen?“
    Vera kam einen Schritt auf mich zu, nahm mit ihrer rechten Hand mein linkes Handgelenk, streifte mir den Sweatshirt-Ärmel gerade so weit hoch, dass eine der abheilenden Schrammen am Unterarm zum Vorschein kam, und sage leise:
    „ Du weißt schon.“
    „ Sebastian!“ hörte ich hinter mir Myriams Stimme. Wie in Trance löste ich mein Handgelenk aus Veras Hand, streifte den Ärmel wieder herunter und kam hinter der Garderoben-Theke hervor zurück ins Foyer.
    Etwas in mir, der Sebastian Forberig, der nach wie vor in meinem Körper wohnte und sich gelegentlich zu Wort meldete, freute sich über Myriams finsteren Blick. Der dominierende Teil sah darin eine Bedrohung. Vielleicht das übliche Gefühlschaos, wenn man verliebt ist. Ich tat unbeschwert und wollte sie umschlingen. Sie streckte die Hand aus und hielt mich auf Abstand. Natürlich dachte ich, das sei wegen Vera, lachte über ihr verkniffenes Gesicht und wollte eine entsprechende Bemerkung machen.
    Da sah ich, wie ein blauer Schatten über Myriams verkrampftes Gesicht huschte. Wahrscheinlich eine Lichtreflexion in diesem alten Gemäuer. Unbewusst hob ich den Kopf nach einem Fenster oder einer Leuchte, die den Effekt hervorgerufen haben könnten, aber es gab nichts außer gleichmäßig schummrigem Tageslicht, das durch die angeblindeten Fensterscheiben rechts und links der Eingangstür fiel.
    Ich erschrak.
    Und in dem Moment, in dem ich begriff, dass etwas passiert sein könnte, beugte sie sich auch schon nach vorne. Ihre Anspannung entlud sich in einem Hustenanfall.
    Sofort war ich bei ihr und versuchte sie zu stützen. Diesmal, das spürte ich an ihrer Verkrampfung, war es schlimmer als bei dem Erkältungshusten, den sie von ihrer Tante mitgebracht hatte. Es rasselte in ihrer Lunge, sie röchelte. Und es wollte nicht aufhören. Mein stützendes Eingreifen war nicht länger symbolisch, ich musste sie festhalten, dass sie nicht vornüber kippte.
    Vera kam angelaufen.
    „ Was ist denn mit ihr?“
    „ Keine Ahnung. Das hat sie seit einigen Tagen, aber es hat noch nie so lang gedauert.“
    „ Sie bekommt ja kaum noch Luft. Soll ich einen Arzt rufen?“
    Ich hatte keine Ahnung, aber nickte in meiner Angst.
    „ Ja, schnell.“
    Vera drehte sich um. In dem Moment sank Myriam so schwer auf die Knie und so plötzlich, dass ich sie nicht halten konnte. Das Husten hörte nicht auf. Ich musste an den blöden Spruch denken: sich die Lunge aus dem Leib husten. So war das bei ihr. Und ich konnte nichts dagegen tun.

Kapitel 13: Tödliche Duftmarke
     

    Ihre Eltern wussten nichts von uns, und sie schienen auch nichts daraus zu schließen, dass ich bis in die Nacht mit ihnen im Krankenhausflur vor Myriams Zimmer Wache hielt.
    Sie schlief. Die Ärzte hatten das Husten abgestellt. Irgendwann konnten wir die mechanische Aufforderung der Nachtschwester, wir sollten endlich nach Hause gehen, nicht mehr hören und gingen.
    Am nächsten Morgen war ich kurz vor sieben Uhr im Krankenhaus, schlich den Gang auf Myriams Station entlang und schaffte es unbemerkt in ihr Zimmer. Beide Betten waren leer und abgezogen. Ich rannte zum Schwesternzimmer.
    „ Myriam Senter, wo ist sie?“
    „ Sind Sie ein Familienangehöriger?“
    „ Durfte sie nach Hause?“
    „ Dann sind Sie kein Familienangehöriger?“
    „ Gestern hieß es, nur zur Beobachtung...“
    „ Wenn Sie nicht zur Familie gehören...“
    „ Ich bin ihr Freund.“
    Sie schaute mich an. Ein ganz junges Gesicht, jünger als ich, wie es mir vorkam, vielleicht eine Schwesternschülerin. Hilfesuchend blickte sie über die Schulter, aber sie war allein, keine Kollegin verfügbar. Mitleid regte sich in ihrem Gesicht, und sie flüsterte:
    „ Sie wurde heute Nacht auf die Intensivstation verlegt.“
    „ Was? Warum? Kann ich...?“
    Sie schüttelte nur den Kopf, und ich resignierte. Auf dem Weg zu meinem Fahrrad kam ich an einer Bankreihe vor dem Haupteingang des Krankenhauses vorbei, und ohne irgend etwas zu beschließen, bezog ich hier Posten.
    Als zwei Stunden später Myriams Mutter das Krankenhaus in Richtung Parkplatz verließ, erkannte ich sie kaum, ungeschminkt und verschlafen wie sie war. Sie lächelte matt, als sie mich sah.
    „ Du hast sie wohl sehr gern?“, fragte sie und schaute mir direkt in die Augen. Wie immer,
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