Infektion - Tripp, B: Infektion - Rise Again
weil er in seinen Gefühlen und Gedanken lebte. Jemand wie Topper war anders. Er machte Amy Angst. Er war groß und böse und drückte sich mit den Armen aus – er steuerte, baute, zerlegte und dominierte seine Umgebung mit Körperkraft. Seine Armmuskeln waren dick wie Klapperschlangen, die sich um die Knochen wanden. Trotzdem hatten Murdos Männer ihn überwältigt.
Also ging Amy nun mit Murdo hinter den Hangar, einem kleinen, stämmigen, körperbetonten Mann, dessen Nacken vor Zorn angespannt war. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit Sean Mackey an der Skyline High hinter die Tribüne des Football-Platzes gegangen war. Mackey war ein bärenstarker Junge, der mit sechzehn wie fünfundzwanzig aussah. Er war Sportler, der perfekte Athlet. Er lockte Amy dorthin, wo niemand außer den Bäumen sie sehen konnte, und zwang sie, Dinge zu tun. Sein Vorwand war ihr hervorragendes Literaturwissen. Er sagte, er würde Hilfe für die Englisch-Klasse brauchen, aber es wäre ihm peinlich, wenn alle anderen mitbekamen, worüber sie diskutierten. Nicht worüber, sondern dass er mit mir darüber diskutiert, hatte Amy damals gedacht.
Mackeys Strategie war genial: Mit ihrem unterentwickelten Selbstbewusstsein war sich Amy sicher, dass er keinerlei körperliches Interesse an ihr hatte. Sie glaubte wirklich daran, dass er nur etwas von ihr lernen wollte. Also fühlte sie sich durchaus geschmeichelt. Was es für Amy im Nachhinein noch viel schlimmer machte, war der Umstand, dass er wahrscheinlich gar nicht körperlich an ihr interessiert war.
Er wollte ihr lediglich Macht entziehen, einem intelligenten Mädchen, das sein Gefühl der absoluten Herrschaft bedrohte. Sobald er sie überredet hatte, ihn in ihrem Mund kommen zu lassen, während er an ihren kleinen Brüsten zupfte, war ihre Macht verflogen. Sie war nicht besser als die Cheerleader und Debütantinnen, die sich ihm willig hingaben. Offenbar doch nicht so intelligent, hatte Amy sich vorgeworfen. Sie empfand bis heute große Scham, wenn sie sich an die schmeichelhaften Dinge erinnerte, die er unter den Bäumen hinter dem Stadion zu ihr gesagt hatte, wie überrascht er geklungen hatte, dass sie so hübsch war, dass auch Intelligenz eine Schönheit hatte, und ob er sie mal berühren dürfte. Damals hatte sie niemandem davon erzählt, nicht einmal Danny, obwohl Danny spürte, dass sie ihr etwas vorenthielt. Niemand hätte Danny damals gebeten, sie berühren zu dürfen. Sie hatte sehr schlimme Pickel gehabt.
Amy hatte es nie als Vergewaltigung bezeichnet, was Sean Mackey getan hatte, weil sie freiwillig zur Schlachtbank gegangen war. Nicht dass sie ihn attraktiv oder interessant gefunden hatte, nur angsteinflößend. Er hatte ihr keine Gewalt angetan. Er hatte lediglich ihre Verteidigungslinien durchschritten.
Diese alte Wunde brannte in Amys Geist, als sie dem untersetzten, zielstrebigen Murdo hinter den Hangar folgte. Er sollte lieber nichts versuchen, dachte sie. Er sollte mir wirklich nur etwas Persönliches zu sagen haben. Aber er war kein Mann mit persönlichen Gedanken. Amy fragte sich, ob sie schreien oder sich wehren würde, bis er sie mit dem Messer bedrohte, sie erschoss oder sein Pfefferspray benutzte. Noch während sie ihre Verteidigung plante, war ihr bewusst, dass das alles Blödsinn war. Sie würde tun, was er verlangte, und sich lieber missbrauchen lassen, als ihr Leben in Gefahr zu bringen, und niemandem davon erzählen. Nein … eines Tages würde sie es Danny erzählen.
Sie standen im Schatten des Hangars, der bis zur nächsten Anhöhe hinter dem Zaun hinaufreichte. Kupferfarbenes Licht ließ die Wüste erstrahlen und sie aussehen wie das Werk eines Metallschmieds. Es war heiß und trocken, aber eine leichte Brise kündigte an, dass es in der Nacht kühl werden würde. Amy hatte die Arme vor der Brust verknotet. Murdo lehnte sich gegen den Zaun und blickte nach draußen, sein Gewicht auf einen Arm gestützt. Sein Atem ging schwer. Amy spürte einen kalten Schauder. Wenn dieser polternde, gefährliche kleine Mann entschied, ihr etwas anzutun, würde er sie anschließend töten. Der Akt allein würde nicht genügen. Er müsste auch die Beweise beseitigen.
Amy wartete. Er sollte reden und seine Forderungen stellen. Amy hatte nicht vor, ihm auf halbem Wege entgegenzukommen – und noch weiter erst recht nicht, wie sie es vor langer Zeit getan hatte. Murdo rieb sich mit der freien Hand über die kurzen Haare, dann sprach er, ohne Amy anzusehen.
» Flippen Sie
Weitere Kostenlose Bücher