Infernal: Thriller (German Edition)
meinen Sie das?«
Sein Gesicht ist eine gequälte Fratze, als würde er einen schrecklichen Augenblick aus seiner Kindheit noch einmal durchleben. Dann taucht er den Pinsel in die Farbe und kehrt zu seiner Leinwand zurück, fast, als hätten wir uns niemals unterhalten.
Doch schließlich beginnt er zu reden.
27
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I ch wurde während des Krieges geboren«, sagt Wheaton, während er mit vollkommener Sicherheit weitermalt. »Neunzehnhundertdreiundvierzig. Mein Vater war bei den Marines. Nach der Grundausbildung kam er auf Urlaub nach Hause, und bei dieser Gelegenheit wurde ich gezeugt. Jedenfalls dachte er das. Er war ein harter Mann, kalt und gnadenlos. Mutter konnte mir nie erklären, warum sie ihn geheiratet hatte. Sie sagte immer nur: ›Wenn man jung ist, sehen viele Dinge anders aus.‹«
»Das Gleiche hat meine Mutter auch mehr als einmal zu uns gesagt«, erzähle ich ihm.
»Als mein Vater eingezogen wurde, war meine Mutter zum ersten Mal seit ihrer Heirat allein. Sie hatte zwei Söhne, doch sie waren erst vier und fünf Jahre alt. Es war eine Befreiung. Sie war frei von seiner schneidenden Stimme, der brutalen Hand, der rücksichtslosen Beharrlichkeit in der Nacht, wenn sie vergeblich protestierte und nur die Decke und die Wände sie hörten, wenn sie Gott um eine Atempause anflehte. Gott hatte ihre Gebete endlich erhört. Er hatte ihr den Krieg geschickt.«
Wheaton grinst ironisch. »Einen Monat nachdem mein Vater in den Pazifik abgerückt war, klopfte ein Fremder an unsere Tür und bat um ein Glas Wasser. Er humpelte. Irgendeine Verwundung oder Krankheit hatte ihn verkrüppelt, und die Army wollte ihn nicht mehr. Er hatte eine Stelle von der WPA, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Er war Maler. Mutter verliebte sich gleich am ersten Tag in ihn. Sie liebte die Kunst. Ihr wertvollster Besitz war ein Buch, das sie von einer Tante geschenkt bekommen hatte. Ein großer glänzender Vierfarbband mit dem Titel ›Meisterwerke der westlichen Kunst‹. Jedenfalls, der Maler schlug sein Lager in der Nähe auf und blieb zwei Wochen. Als er weiterzog, war Mutter schwanger. Sie hat nie erfahren, wohin er gegangen ist, doch er hat ihr erzählt, dass er aus New Orleans käme.«
O mein Gott! , denke ich im Stillen.
»Ich kam zwei Wochen zu früh.« Wheaton dreht die Pinselspitze auf seiner Palette. »Damit war der Zeitpunkt nahezu perfekt. Es bedeutete, dass Mutter wegen der Vaterschaft lügen und niemand etwas beweisen konnte. Wenigstens für eine Weile.
Als mein Vater aus dem Krieg zurückkam, hatte er sich verändert. Er war von den Japanern gefangen genommen worden, und sie hatten irgendetwas mit ihm angestellt. Er redete kaum noch. Er wurde zu einem religiösen Fanatiker. Doch er war genauso brutal wie vorher – zu Mutter und zu uns Kindern.
Er bemerkte sofort, dass Mutter mich anders als meine Brüder behandelte. Sie sagte ihm, es läge daran, dass ich zu früh gekommen und gebrechlich wäre. Er wollte mich dazu zwingen, genau wie die anderen zu sein, doch sie widersetzte sich ihm. Nach einer Weile kamen sie zu einer Einigung. Sie erkaufte mir eine behütete Kindheit, indem sie sich ihm unterwarf. Er bekam alles von ihr, was er wollte. Sein Wort war Gesetz. Im Alltagsleben, im Bett. Nur wenn es um mich ging, zählte ihr Wort.
Meine Brüder arbeiteten auf der Farm und halfen ihm beim Fallenstellen, wenn sie nicht in der Schule waren. Mutter lehrte mich Dinge. Las mir vor. Knapste Geld ab, um mir Farbe und Pinsel zu kaufen. Sie ermutigte mich, die Bilder aus ihrem Buch nachzumalen. Meine Brüder machten sich über mich lustig, doch insgeheim waren sie eifersüchtig. Sie schlugen mich, wenn Mutter nicht in der Nähe war, doch das war nichts Besonderes. Im Sommer flüchteten Mutter und ich in eine alte Hütte in den Wäldern, wo wir unsere Tage verbrachten.«
Ein verklärter Ausdruck erscheint auf Wheatons Gesicht.
»Die Hütte stand auf einer kleinen Lichtung, umgeben von alten Bäumen. Ein Bach floss in der Nähe. Das Dach war teilweise eingestürzt, doch das störte uns nicht. Die Sonne fiel in breiten Bahnen durch das Loch, wie in einer gotischen Kathedrale.«
»Was haben Sie dort gemalt?«, frage ich, doch ich kenne die Antwort bereits, bevor die Worte meinen Mund verlassen haben. »Ihre Mutter?«
»Wen sonst hätte ich malen sollen? Nachdem ich alles kopiert hatte, was es in Mutters Buch an Bildern gab, brachte sie verschiedene Sachen mit aus dem Haus. Kleider oder Dinge, die sie auf einer Fahrt in
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