Infernal: Thriller (German Edition)
... Ich darf mich nicht auf Rettung von außen verlassen.
Mit zitternder Hand greife ich nach oben und drehe das heiße Wasser wieder auf, doch diesmal setze ich mich nicht zurück und warte darauf, dass mir warm wird. Diesmal erhebe ich mich auf zittrigen Beinen und klettere aus der Wanne.
Meine Muskeln gehorchen mir immer noch nicht so richtig, doch sie funktionieren. Der Katheter in meinem Handrücken bedeutet ein Problem, doch das Infusionsgestell hat Räder, und der Boden scheint lackierter Beton zu sein. Mit vorsichtigen Schritten ziehe ich das Gestell hinter mir her bis zur gläsernen Wand des Wintergartens. Was ich dort sehe, entmutigt mich wieder. Der untere Teil der Glaswand oberhalb der Ziegelmauer besteht aus Drahtglas. Es würde mich nicht weiterbringen, wenn ich das Glas mit etwas Schwerem zerschmettere. Eine Glastür führt nach draußen, doch auch sie besteht aus Drahtglas, und ein schweres Vorhängeschloss garantiert, dass sie geschlossen bleibt.
Der Raum, den mein Körper in der Badewanne eingenommen hat, füllt sich rasch mit Wasser. Welche Möglichkeiten habe ich? Ins Haus schleichen und versuchen, unbemerkt an Wheaton vorbeizukommen? Sicherlich rechnet er damit. Und das Schluchzen, das ich vorhin gehört habe, kam ganz aus der Nähe, nicht von weiter weg. Vielleicht liegt er im Nebenzimmer auf einem Sofa, mit meiner Pistole in der Hand. Vielleicht ist die Pistole auch gar nicht im Haus. Wahrscheinlich hat er noch den Taser, mit dem er mich in der Galerie außer Gefecht gesetzt hat. Vielleicht hat er einen Wachhund. Ist es das Risiko wert, wenn ich nachsehe? Ich muss an seine Augen denken, als er wütend die Vergewaltigungen geleugnet hat, und nachzusehen erscheint mir, als würde ich in ein Drachennest schleichen wollen. Schlafen Drachen überhaupt? Falls ja, dann bestimmt nur ganz leicht.
Denk nach , sagt mein Vater. Was weißt du, was er nicht weiß? Was ist nahe liegend und kann dir helfen?
Was weiß ich? Dass ich mehr als nur ein wenig Xanax-abhängig bin, und Xanax ist eng verwandt mit Valium. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich so früh aufgewacht bin und jetzt auf Zehenspitzen umherschleichen kann, während Wheaton mich noch schlafend wähnt. Was ist in der Nähe, das mir helfen kann? Ich sehe keine Waffen. Nicht einmal Pinsel. Der Tisch, von dem Wheaton die Spritze genommen hat, ist leer. Der Wintergarten ist so leer und steril wie eine Gefängniszelle. Und das ist er auch. Nicht ganz leer , erkenne ich. Auf dem Boden hinter meinem Ende der Badewanne stehen die Kühlbox und die Einkaufstasche. Conrad Hoffmans Sachen.
Ich ziehe den Infusionsständer hinter mir her und untersuche die Tasche. Sie ist halb voll mit dem gleichen Junkfood, wie John es in der Garagenwohnung von Hoffman gefunden hat. Trockenfleisch. Schokoladenriegel. Schokonüsse. Kartoffelchips. Ich starre die Schachteln und Packungen an und spüre, wie sich tief in mir etwas regt. Langsam, ganz langsam wird mir bewusst, was ich da vor mir sehe. Es sind keine Waffen – aber es sind Dinge, die mir bei meiner Verteidigung helfen.
Ich greife in die Tasche, öffne leise Schachteln und ziehe drei glänzende Beutel Schokonüsse und eine Hand voll Schokoriegel hervor. Ich verstecke alles zwischen dem Klauenfuß der Wanne und dem Spiegel, den Wheaton benutzt, um sich selbst in dieses Bild zu malen. Als ich wieder in die Wanne klettere, fällt mir ein, dass ich vergessen habe, einen Blick auf Wheatons Bild zu werfen. Vielleicht hilft es mir weiter, wenn ich dieses Bild verstehe. Aber nicht so viel wie diese Kühlbox , sagt eine innere Stimme. Wie lange steht sie wohl schon dort? Wie lange ist es her, dass ich zugesehen habe, wie Hoffman im Mississippi ertrunken ist? Ich gehe zu der Kühlbox und bete im Stillen vor mich hin, als ich den Verschluss aufschnappen lasse und den Deckel anhebe. Es ist dunkel im Innern, und so drücke ich meine Hände blind in Richtung Boden. Und finde einen klimpernden arktischen Ozean aus Wasser und Eiswürfeln mit schwimmenden Inseln, die sich anfühlen wie Bierdosen. In Sekundenschnelle schießt Schmerz in meine Unterarme.
Gott segne dich, du kranker Bastard! , denke ich. Mein Herz hämmert in neuer Hoffnung, doch ich kann nicht länger hier herumstehen und warten. Warmes Wasser schwappt über meine Füße. Die Badewanne fließt über, und nicht gerade leise. Doch auch das ist gut. Das übergelaufene Wasser verwischt die Spuren meines kleinen Ausflugs durch den Wintergarten, und vielleicht
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