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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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täuscht es Wheaton auch so weit, dass er glaubt, ich hätte immer noch keine richtige Kontrolle über meine Arme. Ich schließe die Kühlbox und schiebe sie näher zur Badewanne, dann steige ich zurück in das fast kochend heiße Wasser.
    Ich greife nach dem Hahn, als ich in der Dunkelheit ein Geräusch höre. Ich lege den Kopf auf den Rand der Wanne und schließe die Augen. Das Wasser läuft weiter.
    »Was machen Sie da?« , bellt eine angeschlagen klingende Stimme.
    Ich greife unter Wasser nach Thalias Hand. Schritte nähern sich der Wanne und halten dann inne.
    Wheaton scheint mich von oben zu beobachten.
    »Wunderschön« , sagt er, und trotz des heißen Wassers läuft es mir eiskalt über den Rücken. Der Hahn quietscht, und das Wasser hört auf zu fließen. Dann taucht etwas in das dampfende Wasser, und warme Wellen schwappen gegen meine Brüste. Wheatons Hand umfasst meine linke Brust, als würde er eine alte Erinnerung erneut durchleben. Ich zwinge mich zu einem regelmäßigen, flachen Atmen. Die Hand gleitet über mein Herz, spürt meinen Herzschlag, dann senkt sie sich ins Wasser. Sie berührt meinen Nabel, knetet das kleine Fettpölsterchen dort, dann gleitet sie hinunter zwischen meine Beine.
    Das Gefühl, zu fallen, lässt mich beinahe aufschreien, doch Taubheit bewahrt mich davor. Sie breitet sich von meinem Kopf und meinem Herzen her aus, eine Taubheit, die aus Selbsterhaltung resultiert, geboren im Dschungel von Honduras, eine neurochemische Abwehr, die mir ermöglicht, alles zu ertragen, um zu überleben. Wheatons Finger beben, als sie mich erforschen, doch ich bleibe ganz ruhig. Ich liege still und atme, ein und aus, ein und aus. Seine Hand ist nicht die gefühllose Tatze eines Scheusals, sondern die neugierige Hand eines Knaben. Die Finger verfangen sich in meinem Schamhaar und bleiben mit kindlicher Beharrlichkeit dort. In die Stille des tropfenden Wasserhahns hinein hallt ein lang gezogenes, trauriges Stöhnen, das mir durch und durch geht. Es echot durch den gläsernen Wintergarten wie das Weinen eines Welpen neben seiner toten Mutter und endet in einem Schluchzer. Dann lösen sich die Finger, und die Berührung ist vorbei.
    Schritte entfernen sich von der Wanne, und ich höre Wheaton in einem Nebenzimmer klappern. Die Schritte kehren zurück, und diesmal bleibt er hinter mir stehen. Er hantiert mit dem Infusionsgestell; offensichtlich wechselt er den Beutel.
    »Bald«, zischt er. »Morgen.«
    Als er davongeht, beginnt mein Handgelenk zu brennen. Valium , sage ich mir, während mir die Augen bereits wieder zufallen. Kein Insulin. Insulin brennt nicht . Doch nur um sicherzugehen, greife ich zwischen die Wanne und den Spiegel, reiße einen Schokoriegel auf und schlinge ihn mit zwei Bissen hinunter, um so schnell wie möglich schützenden Zucker in meine Blutbahn zu bringen. Dann esse ich einen zweiten. Wegen meiner trockenen Kehle habe ich Mühe mit dem Schlucken, doch nach einem Blick auf Thalia zwinge ich mich, noch einen dritten zu essen.
    Soll ich den Katheter aus meiner Vene ziehen? Wenn ich das tue, blute ich in die Wanne, vielleicht eine ganze Weile. Und morgen wird Wheaton sehen, was ich getan habe. Ich könnte natürlich sagen, dass es ein Unfall war. Unter Wasser drücke ich Thalias Hand und wünsche mir von ganzem Herzen, dass sie den Händedruck erwidern könnte. »Wir werden es schaffen, Mädchen«, flüstere ich ihr zu. »Warte nur ab, du wirst schon sehen.«
    Zieh den Katheter raus , sagt die Stimme meines Vaters. Nimm die Hand aus dem Wasser. Die Luft wird dafür sorgen, dass die Vene sich schließt ...
    »Ich kann meine Hand nicht mehr spüren«, antworte ich. »Ich ...«
    Ich greife nach dem Katheter, doch dann wird alles schwarz.
    Ich erwache im vollen Tageslicht, doch ich lasse die Augen geschlossen. Wheaton wird erwarten, dass ich länger bewusstlos bin. Eine Stunde lang liege ich mit geschlossenen Augen da und orientiere mich allein aufgrund von Geräuschen aus meiner Umgebung. Wheaton steht hinter seiner Staffelei, genau wie gestern, und malt mit schnellen, sicheren Strichen. Hin und wieder knarrt die Staffelei, und das leise Rasseln seines Atems ändert sich mit seiner Körperhaltung. Seine Bewegungen sind von einer neuen, drängenden Energie erfüllt.
    Wie lange wird er noch brauchen, um dieses Bild zu vollenden? Wie lange noch, bevor er mich in eine weitere Thalia verwandelt?
    Ich muss ihn aufhalten. Je länger ich lebendig bleibe, desto mehr Zeit hat John, mich zu

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