Infernal: Thriller (German Edition)
Hallo, Henry.«
»Ich habe einen Siegerpokal beim Fußball gewonnen«, verkündet er.
»Tatsächlich?«
»Möchtest du ihn sehen?«
»Unbedingt! Aber ich habe dir ein Geschenk mitgebracht. Möchtest du es zuerst sehen?«
Er dreht sich mit einem um Erlaubnis fragenden Blick zu seinem Vater um.
»Sehen wir es uns an«, sagt Marc.
Ich deute auf das in Geschenkpapier gehüllte Paket neben der Tür. »Bist du groß genug, um es zu öffnen, Henry?«
»JAAAA!«
Geschickt macht er sich an der Verpackung zu schaffen, und Sekunden später wird der Karton mit der fetten Aufschrift »Panasonic« sichtbar. »Es ist ein DVD-Player, Dad! Sieh nur!«
»Ein wenig extravagant, meinst du nicht?«, stellt Marc fest und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.
»Das ist das Privileg einer unverheirateten Tante.«
»Sieht so aus.«
Lyn steht ganz still an meinem Knie und beobachtet mich. Sie fragt nicht einmal, ob ich ihr auch etwas mitgebracht habe. »Und das hier ist für dich«, sage ich zu ihr und reiche ihr das kleinere Paket, das neben dem Sessel auf dem Boden gestanden hat.
»Was ist es?«
Vorsichtig entfernt sie die Schleife und legt sie beiseite, und allein das bricht mir erneut das Herz. Sie hat ihre bescheidenen Manieren von Jane, genau wie Jane sie von unserer Mutter hat. Meine Schwester lebt überall weiter. Endlich wird der Karton sichtbar, und Lyn studiert ihn angestrengt.
»Was ist das?«
»Wollen mal sehen, ob du es nicht selbst herausfindest. Kannst du die Aufschrift lesen?«
» Nick-on ? Nikon. Coolpix. Neun-Neun-Null.«
»Sehr gut! Warte, ich packe sie für dich aus.« Ich öffne den Karton, entferne das Styropor und reiche ihn der Kleinen. »Was glaubst du, was das ist?«
Sie studiert das zweiteilige Gehäuse und bemerkt dann das kleine Objektiv.
»Ist es eine Kamera?«
»Ja.«
Sie schürzt die Lippen in einem undefinierbaren Ausdruck. »Eine Kinderkamera oder eine für Große?«
»Eine für Große. Eine sehr gute. Du musst vorsichtig mit ihr umgehen, während du lernst, sie zu benutzen. Trag den Riemen um den Hals, damit du sie nicht fallen lässt. Aber sei nicht zu vorsichtig, es ist nur ein Werkzeug. Wichtig sind deine Augen und was du in deinem Kopf siehst. Die Kamera hilft dir, anderen Leuten zu zeigen, was du siehst. Verstehst du das?«
Sie nickt langsam und mit leuchtenden Augen.
»Dad!«, kräht Henry. »Es sind zwei DVDs dabei! ›Der Riese aus dem All‹ und ›El Dorado‹!«
»Bleibst du heute Abend wirklich bei uns?«, fragt Lyn.
»Ja, das tue ich.«
»Wirst du mir zeigen, wie man die Kamera benutzt?«
»Ganz bestimmt, versprochen. Die Bilder aus dieser Kamera gehen zuerst in einen Computer, bevor sie auf Papier gelangen. Ich wette, du hast einen Computer.«
»Dad hat einen.«
»Dann borgen wir eben seinen aus, bis du einen eigenen bekommst. Richtig, Dad?«
Marc schüttelt den Kopf, doch er lächelt. »Richtig. Also schön, wer hat Hunger?«
»Hast du etwa gekocht?«
»Machst du Witze? Annabelle!«
Dreißig Sekunden später nähern sich klackernde Absätze durch die Halle, gefolgt von der Stimme einer älteren schwarzen Frau. »Was brüllen Sie denn so, Mr Lacour?«
»Wie weit ist das Abendessen?«
»Fast fertig.«
Annabelle erscheint in der Tür, nicht dick und behäbig, wie ich sie mir vorgestellt habe, sondern dünn und groß und flink. Auf ihrem Gesicht steht ein warmes Lächeln, bis sie mich erblickt. Das Lächeln verblasst augenblicklich und weicht einem Ausdruck von Staunen und Furcht.
»Annabelle, das ist Jordan«, sagt Marc.
»Gütiger Gott, das sehe ich!«, sagt sie leise. »Kind, Sie sind ihr wie aus dem Gesicht ...« Sie wirft einen Seitenblick zu den Kindern und verstummt. Wie gegen ihren Willen vorangetrieben durchquert sie das Zimmer, bis sie vor mir steht. Ich reiche nach oben und gebe ihr die Hand, und sie drückt sie mit bemerkenswerter Kraft. »Gott segne Sie«, sagt Annabelle, dann tritt sie zu Henry und Lyn, beugt sich zu den Kindern hinab, umarmt jedes und geht wieder zur Tür.
»Sie können Schluss machen, sobald das Essen fertig ist«, sagt Marc. »Gute Nacht, Annabelle.«
»Sobald ich die Biskuits aus dem Ofen habe«, antwortet sie aus der Halle, »bin ich weg.«
Nachdem sie gegangen ist, sage ich: »Ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt.«
»Du bist zu lange aus dem Süden fort«, antwortet Marc. »Annabelle ist die Beste. Diese Familie wäre verloren ohne sie. Ich glaube, dein Anblick war ein ziemlicher Schock für
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