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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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schon früher von diesem Anruf erzählt?«
    »Weil ich dich nicht unnötig belasten wollte.«
    »Wann kam dieser Anruf? Tagsüber? Oder war es mitten in der Nacht?«
    »Warum?«
    »Weil du vor acht Monaten in einer Phase warst, wo du nicht mehr aus dem Bett gekommen bist, oder? Dein kleiner ärztlich verordneter Urlaub?«
    Zorn steigt in mir hoch, doch ich halte ihn zurück. »Ja. Aber ich habe dem FBI von dem Anruf erzählt, und es hat die Anrufe bei der Telefongesellschaft überprüft. Das Gespräch kam tatsächlich aus Thailand, mitten in der Nacht. Von einem Bahnhof.«
    Marc sieht mir ein paar Sekunden lang ins Gesicht, dann wendet er sich zu einem Porträt seiner Eltern an der Wand. Sie sehen wohlhabend und distanziert aus. »Tu, was du tun musst, Jordan. Das machen wir schließlich alle. Aber ich will nichts davon wissen. Nicht, bevor du keine eindeutigen Beweise gefunden hast, dass Jane oder eine der anderen Frauen noch am Leben ist. Alles andere bereitet nur Qualen, ohne uns weiterzubringen.«
    »Du sprichst wie ein Jurist.«
    Seine Wangen laufen an. »Du glaubst, ich vermisse sie nicht? Ich habe mehr gelitten als ...« Er unterbricht sich, nimmt ein Handy aus der Tasche und drückt eine Kurzwahltaste. »Ich bin es ... Ich warte an der Tür.« Er legt wieder auf und erhebt sich vom Sofa.
    »Ich bin überrascht, dass du mich überhaupt zu den Kindern lässt.«
    »Ich hab dir doch gesagt, ich möchte, dass du ein Teil dieser Familie bist. Deshalb wollte ich auch, dass du bei uns wohnst. Du bist ein großartiger Mensch. Und ein unglaubliches Vorbild für Lyn.«
    »Ist das deine ehrliche Meinung?«
    »Hör mal, können wir nicht alles andere vergessen und uns auf die Kinder konzentrieren?«
    Mit »alles andere« meint er seine verschwundene Frau. »Also schön. Ich warte hier.«
    Marc seufzt und verlässt den Raum.
    Die Wahrheit ist, ich weiß eigentlich kaum etwas über die Beziehung zwischen Marc und Jane. Jane hat sich stets in einen Anschein von Perfektion gehüllt. Die beiden haben jung geheiratet, doch Marc wollte das Kinderkriegen verschieben, bis die Jahre mit den Hundert-Stunden-Wochen vorbei waren, die erforderlich waren, um in seiner Kanzlei zum Partner zu werden. Das beunruhigte Jane, die sofort Kinder wollte – mehr um die Beziehung zu zementieren, wie ich damals fürchtete, als um der Kinder willen. Doch als die Kinder kamen, erwies sie sich als wundervolle Mutter und schuf eine warme, sichere Umgebung, wie Jane und ich sie niemals hatten.
    Ich höre, wie die Vordertür geöffnet wird, dann unterdrückte Stimmen. Die rauchige, vornehme Stimme einer älteren Frau übertönt die übrigen Geräusche. »Ich glaube einfach nicht, dass es das Richtige ist. Sie mussten bereits so viel ertragen.« Marc versichert in beruhigendem Anwaltston, dass er genau weiß, was er tut. Dann ertönt das Trippeln kleiner Füße auf dem Parkett, gefolgt von Marcs schwereren, längeren Schritten. Ich bin nervöser als jemals zuvor in meinem Leben. Die Schritte werden lauter, dann verstummen sie, doch die Türöffnung bleibt leer.
    »Nur zu«, ermuntert Marc von irgendwo in der Halle. »Es ist in Ordnung.«
    Nichts geschieht.
    »Sie hat Ge-schenke mitgebracht«, sagt er mit einer Singsangstimme.
    Ein kleines Gesicht erscheint neben dem Türrahmen. Lyns Gesicht. Ein physisches Echo meiner eigenen Aufregung. Mit ihren großen, dunklen Augen erinnert sie mich an einen Faun, der hinter einem Baum hervorspäht. Während ihr Unterkiefer noch herabsinkt, tauchen über ihrem Kopf Henrys blonde Haare und blaue Augen auf. Henry blinzelt, dann verschwindet er wieder. Ich lächle, so breit ich kann, und strecke die Arme aus. Lyn sieht hinter sich – wahrscheinlich zu ihrem Vater –, dann tritt sie hervor und stürmt auf mich zu.
    Es kostet mich übermenschliche Anstrengung, nicht zu weinen, als sie ihre kleinen Arme um meinen Hals schlingt wie ein ertrinkendes Kind und »Mama, Mama!« in mein Ohr flüstert.
    Sanft drücke ich sie von mir weg und sehe ihr in die nassen Augen. »Ich bin Jordan, Kleines. Ich bin ...«
    »Sie weiß, wer du bist«, sagt Marc und schiebt Henry mit den Händen auf seinen Schultern in meine Richtung.
    »Sie hat ›Mama‹ gesagt.«
    »Du siehst aus wie meine Mom. Sie ist in den Himmel gegangen, zum lieben Gott.«
    Ich lege die Hand auf den Mund, um nicht die Fassung zu verlieren, und Marc hilft mir, indem er Henry zu mir schiebt. »Dieser große Bursche hier ist Henry, Tante Jordan.«
    »Das weiß ich doch.

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