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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sie.«
    Als wir das Esszimmer betreten, ist der Tisch überladen mit Essen. Eine Schweinelende mit einer Glasur aus Honig und braunem Zucker, Käse, Biskuits und Salat. Nach monatelangem ausschließlich asiatischem Essen sind diese Düfte aus meiner Kindheit nahezu überwältigend. Jane ist überall um mich herum. Sie und ich sind aufgewachsen, ohne zu wissen, was edles Porzellan ist, und so hat sie wahrscheinlich Monate mit der Auswahl des Royal Doulton verbracht, das nun vor mir gedeckt ist. Das Gleiche gilt für die Gläser von Waterford und das Besteck von Reed & Barton.
    »Sieht toll aus, nicht wahr?«, sage ich zu Henry. »Komm her, setz dich zu mir. Lyn, du kommst auf die andere Seite.«
    »Aber dein Platz ist dort«, sagt sie und deutet mit ausgestrecktem Arm zum Kopfende.
    »Ich sitze aber lieber bei euch.«
    Lyns Lächeln reicht von einem Ohrläppchen zum anderen. Sie und Henry setzen sich rechts und links von mir, und wir fangen an zu essen. Ich bin überrascht, wie schnell wir unbefangen miteinander plaudern, und die einzigen verlegenen Augenblicke entstehen in den Pausen dazwischen. Die Kinder sehen mich an, als hätten sie jedes Gefühl für Zeit verloren, und ich weiß, dass sie Stunden durchleben, die sie mit ihrer Mutter an diesem Tisch verbracht haben. Einmal werden Marcs Augen glasig, als selbst er in jene Dimension zu entrücken scheint, die seine Kinder so viel leichter erreichen. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Dreizehn Monate zuvor mischte sich eine göttliche Hand in das Norman-Rockwell-Gemälde ihres gemeinsamen Lebens und radierte die Muttergestalt einfach aus. Zurück blieb ein schmerzhaft leerer Ort voller unbeantworteter Fragen. Und jetzt wird dieser leere Ort auf magische Weise wieder ausgefüllt von einer Frau, die genau wie die aussieht, die aus ihrem Leben verschwunden ist.
    »Es wird allmählich Zeit, ins Bett zu gehen«, sagt Marc schließlich.
    »Nein!«, protestieren die Kinder wie aus einem Mund.
    »Warum lässt du sie an diesem ersten Abend nicht ein wenig länger aufbleiben?«
    Marc sieht aus, als sei er meiner Einmischungen überdrüssig, doch er ist einverstanden. Wir ziehen uns ins Wohnzimmer zurück, und ich gebe Lyn eine Einführung in die digitale Nikon, während Henry El Dorado in seinen neuen DVD-Player schiebt. Lyn hat geschickte Hände, und mein stolzes Lächeln über ihre Fortschritte überrascht mich selbst. Sie macht ein paar Probeschüsse, und ich lade sie in Marcs Notebook. Die Ergebnisse sind gut, und Lyn platzt beinahe vor Freude. Marc versucht erneut, die Kinder ins Bett zu schicken, doch sie weigern sich und kriechen auf meinen Schoß, damit ich für sie spreche. Ich tue ihnen den Gefallen, und nicht lange darauf ist Henry vollkommen erschlagen und meine Beine sind eingeschlafen. Marc sitzt in einem Sessel mir gegenüber, die Füße auf einer Ottomane, während er mit halber Aufmerksamkeit einen Börsenbericht auf CNBC verfolgt, daher bemerkt er nicht, wie ich zu Lyn schaue und sehe, dass sie mich mit bebendem Kinn anstarrt.
    »Was ist denn, Kleines?«, frage ich leise.
    Sie kneift die Augen fest zusammen, drückt die Tränen heraus, als sie ihr Gesicht gegen meine Brust presst und schluchzt: »Meine Mama fehlt mir so.«
    Diesmal kann selbst ich die Tränen nicht zurückhalten. Ich habe in meinem ganzen Leben keinen so starken Beschützerinstinkt erlebt wie den, der mich jetzt übermannt. Nicht einmal damals, als praktisch ich es war, die Jane in Oxford versorgt hat. Ich würde morden, um diese Kinder zu beschützen. Aber wen kann ich ermorden, um sie vor dem Verlust ihrer Mutter zu bewahren? Ich kann nichts weiter tun, als Lyns Stirn zu streicheln und ihr Mut für die Zukunft machen.
    »Ich weiß, Kleines, ich weiß. Mir fehlt sie auch. Aber jetzt bin ich für euch da. Denk an glückliche Zeiten.«
    »Bleibst du bei uns?«
    »Das werde ich.«
    »Wie lange?« Ihre Augen sind weit und zerbrechlich wie Seifenblasen.
    Marc sieht zu uns herüber und wird plötzlich aufmerksam. »Was ist los?«
    »Nichts, was ein paar Umarmungen nicht wieder in Ordnung bringen würden«, sage ich zu ihm und wiege Lyn, so sanft es mit dem schlafenden Henry auf den Knien geht. Doch in meinem Kopf höre ich die Stimme am Telefon vor acht Monaten. Lieber Gott, bitte lass es Jane gewesen sein , bete ich im Stillen. Diese Kinder brauchen mehr, als ich ihnen jemals geben könnte.
    Eine halbe Stunde später tragen Marc und ich die Kleinen zu ihrem Bett. Sie haben in einem Bett

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