Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
Vom Netzwerk:
Transvesterit.«
    Au weia , dachte Cassie in stummer Wut. An so einem Ort rechnete sie zwar nicht mit Toleranz und Weltoffenheit, aber das war wirklich zu viel. Jetzt bin ich also schon ein Transvestit ? Sie sah der Frau ins Gesicht, und ohne groß darüber nachzudenken hob sie den Sarong, zog am Bündchen ihrer Unterhose und zog sie straff über das Schambein.
    »Was glaubst du wohl, du Spaßvogel? Sieht das aus, als würde ich irgendwo hier unten einen Pimmel verstecken?«
    Entsetzt schlug die Frau sich die Hände vor das faltige Gesicht. »Oh, mein Gott!« Dann stapfte sie eilig davon.
    »Was, zum Henker, willst du hier?«
    Cassie ordnete ihren Sarong wieder. »Ich versuche nur, mir in einem freien Land eine Cola zu kaufen.«
    »Cola is aus. Hau ab.«
    Cassie schüttelte nur den Kopf, lächelte und ging aus dem Laden. Das nenn ich mal einen guten ersten Eindruck , dachte sie. Willkommen im tiefsten Süden, Cassie Heydon .
    Sie hätte es besser wissen und gar nicht herkommen sollen. Zurück auf der Straße ignorierte sie die hasserfüllten Blicke der anderen alten Männer. Während sie an den Schaufenstern entlangging, fiel ihr auf, dass die meisten Geschäfte schon lange geschlossen hatten, bestimmt seit Jahren. Spinnweben überzogen die Fenster von innen. Die Hitze machte ihr wieder zu schaffen; das Medaillon mit dem Bild ihrer Schwester brannte geradezu heiß auf ihrer Brust. Der erste Tag des reichen kleinen Gothic-Mädchens in Ryan’s Corner – eine totale Pleite. Ich kann mir in dieser Hinterwäldlerhölle noch nicht mal eine Cola kaufen . Es war sicher besser, zurück zum Haus zu gehen.
    Richtig: das Haus.
    Sie hatte wirklich gehofft, jemanden nach Blackwell Hall fragen zu können, aber nach ihrem ersten offiziellen Willkommensgruß im HULL’S GENERAL STORE schienen die Chancen dafür nicht allzu gut zu sein. Ein paar Häuser weiter die Straße hinunter entdeckte sie eine Kneipe – CROSSROADS stand auf dem Schild. Hey, eine Redneck-Kneipe. Ich wette, da drin würden sie mich wirklich schräg anglotzen . Das wäre ein noch größerer Fehler, und selbst wenn man ihr ein paar Monate vor ihrem 21. Geburtstag Alkohol ausschenken würde, sollte sie besser nicht trinken. Seit der Nacht, in der ihre Schwester starb, hatte sie nichts mehr getrunken.
    »Hey, Kleine …«
    Cassie drehte sich um. An der Ecke hinter dem letzten Laden parkte ein alter, roter Pick-up; bis eben hatte sie gar nicht bemerkt, dass jemand darin saß.
    Noch ein Klischee. Vom Fahrersitz aus starrte sie ein braun gebrannter, wettergegerbter Mann mit einem ZZ-Top-Hut an. Er trug kein T-Shirt unter der Latzhose, und seine letzte Rasur musste schon ein paar Tage her sein. Er hob eine Dose Bier zwischen seinen Beinen hoch und nippte daran. Cassie runzelte die Stirn, als sie die Marke erkannte: Dixie.
    »Wetten, der alte Hull hat sich in die Hose geschissen, als du da reingegangen bist?«, sagte der Mann. »Die Leute in dieser Gegend sind nicht gerade freundlich zu Fremden.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Süßes Tattoo übrigens«, meinte er mit Blick auf den winzigen Regenbogen über Cassies Bauchnabel.
    »Danke.«
    »Hab selbst haufenweise Tattoos, aber glaub mir, die willst du nicht sehen.«
    »Dann will ich dir das mal glauben.«
    »Ich heiße Roy. Kann dir nicht die Hand schütteln, wie sich das gehört, weil, na ja …«
    Da erst bemerkte Cassie, dass sein rechter Arm fehlte. Da war nur ein Stumpf. Nun sah sie auch, dass der Pick-up ein Schaltgetriebe hatte.
    »Und wie fährst du?«
    Er grinste. »Übung. Weißt du, ich bin vor ungefähr zehn Jahren zur Armee gegangen, dachte, so komm ich aus diesem erbärmlichen Kaff weg. Kurze Zeit später haben sie mich einfach wieder zurückgeschickt. Den Arm hab ich im Irak gelassen. Verfluchter Saddam. Aber vorher hab ich ein paar von seinen Jungs gekriegt, jawoll Sir.«
    Das kann ich mir vorstellen , dachte Cassie.
    »Lass mich raten. Ein Blick auf mich sagt dir, ich bin nur einer von diesen erbärmlichen versoffenen Rednecks, die von der Sozialhilfe leben. Sagst du mir deshalb deinen Namen nicht? Du siehst eigentlich nicht aus wie jemand, der einen Typen nur nach seinem Aussehen beurteilt.«
    »Ich heiße Cassie«, sagte sie. »Ich bin gerade erst aus Washington D.C. hierher gezogen.«
    Er lachte in sein Bier. »Da hast du dir aber einen echt beschissenen Ort ausgesucht. Hier draußen gibt’s gar nichts. O Mann. Ich wette, du gehörst zu denen, die in das Blackwell-Haus gezogen sind, was?«
    »Ja, mit

Weitere Kostenlose Bücher