Inferno

eine Sekunde später kommt Carrie Ann aus der riesigen, hässlichen Eingangstür gerannt und schreit wie am Spieß. Springt nicht mal in den Wagen, rennt einfach den Hügel runter und schreit. Ich denke, sie will mich verarschen, also gehe ich ins Haus … Kannst du mir noch ein Bier geben, bitte?«
    Himmel . Cassie machte eine Dose auf und gab sie ihm. »Wo warst du?«
    Roy schien schwach zu zittern. »Du sollst nicht glauben, dass ich ein Schlappschwanz oder so was bin.«
    »Warum sollte ich das glauben?« »Im Irak-Krieg – hier, ich zeig dir mal was.«
    Cassie drückte sich in den ausgeleierten Sitz, als Roy unbeholfen über sie hinüberlangte. Er öffnete das Handschuhfach und wühlte in ein paar Papieren. Sie versuchte nicht zurückzuweichen, als er sie versehentlich mit dem nackten Stumpf anstieß, der früher sein Arm gewesen war. »Es muss irgendwo hier drin sein, verdammt.« Immer noch lag er über sie gebeugt, und sie bemerkte, wie er einen verstohlenen Blick in ihren Schritt und auf die Oberschenkel warf. »Da ist es ja. Das hab ich dafür gekriegt, dass ich einen T-64 Panzer mit einer Sprengladung in die Luft gesprengt habe.« Er setzte sich wieder gerade hin und blickte auf einen kleinen Gegenstand in seiner Hand. »Wir legten mobile Brücken über die Schützengräben, die Saddam ausgehoben hatte. Einer von seinen Panzern schoss aus einer Entfernung von circa 1000 Metern auf uns, hatte uns richtig am Arsch – ähem, entschuldige meine Ausdrucksweise. Ich war wirklich stinksauer, weil sie uns einen HEP direkt durch die offene Tür von unserem M88 gejagt haben. Es hat zwei meiner Kumpels erwischt. Plötzlich ist die ganze Kompanie von einem einzigen Panzer voller Kameltreiber festgenagelt. Ich also nichts wie in einen Hummer gesprungen und mich seitlich an die Dreckskerle rangepirscht; die sehen mich nicht, aber ich hab meine Nachtsichtbrille an. Ich stell das Auto hinter einer Düne ab und stürme auf den Panzer zu. Aber inzwischen hat mich der Kommandant entdeckt, also kurbelt er sein MG rum und fängt an, mich zu beschießen. Ich knall ihm eine RDX-LADUNG hinten auf den Panzer, klar?, und renne zurück. Dann geht die Ladung hoch, und der ganze Panzer fliegt in die Luft, weil, verstehst du, das ist so ein bescheuerter Panzer russischer Bauart, und da sind die Brennstoffzellen nicht geschützt und …«
    Auf die Gefahr hin, unhöflich zu sein, schnitt Cassie ihm das Wort ab. »Hör mal, ich habe keinen blassen Schimmer von Panzern oder RDX. Erzähl mir einfach von Blackwell Hall.«
    »Ja, gleich. Lass mich erst die Geschichte zu Ende erzählen. Jedenfalls hab ich allein einen Panzer in die Luft gesprengt, und deshalb hat mir Onkel Sam das hier gegeben. Behält meinen Arm, aber gibt mir das Ding hier.« Er zeigte ihr, was er in der Hand hielt: ein kleiner Stern an einem Band.
    Cassie blinzelte. »Das ist eine Ehrenmedaille!«
    »Aber klar.« Er warf den Orden zurück ins Handschuhfach und schloss die Klappe. »Darum geht es doch. Ich will ja nicht angeben, aber die hätten mir das Ding bestimmt nicht gegeben, wenn ich ein Waschlappen wäre, oder?«
    »Nein, das würden sie sicher nicht«, antwortete sie leicht gereizt.
    »Als ich diesen T-64 gestürmt habe, wusste ich, dass ich sterben könnte, aber das war mir egal. Ich hab einfach nur gemacht, wofür ich bezahlt wurde. Hatte kein bisschen Angst.«
    Cassie seufzte. »Ach. Und?«
    Er starrte durch die Windschutzscheibe und fuhr fort: »Als ich in dieser Nacht da oben in das Haus ging, hab ich mir vor Angst in die Hosen geschissen.«
    Entweder ist er ein guter Schauspieler, oder … Sie beugte sich näher zu ihm »Was hast du gesehen?«
    Jetzt sah er ihr direkt in die Augen. »Ich hab einen großen Mann in einem schwarzen Anzug gesehen, wie er langsam die Treppe hochging. Hörte ein Geräusch, wie Katzengeschrei, bloß waren es keine Katzen, sondern Babys. Kennst du das, wenn man beim Angeln einen guten Tag hatte? Du kommst nach Hause mit haufenweise Fischen auf einen großen Haken gezogen.«
    »Ja, das kenne ich.« Cassies Worte kamen gedehnt.
    »So was hatte der lange Typ in der Hand … nur waren es Babys, die da an dem großen Haken hingen, und er schleifte sie die Treppe rauf.«
    Roy stieß langsam den Atem aus.
    Ein Haken. Voller Babys . Cassie schauderte, als hätte jemand mit dem Nagel über eine Tafel gekratzt. Sie konnte es immer noch nicht glauben, aber die Vorstellung war dennoch entsetzlich. »Das ist vielleicht eine Geschichte«, meinte