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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Fenton Blackwell; der hat damals vor dem Ersten Weltkrieg das alte Haus gekauft und dann all diese verrückten Anbauten gemacht.«
    Na toll , dachte Cassie. Den Flügel, in dem ich wohne .
    »Blackwell war ein Satanist«, fuhr Roy fort.
    »Ach Quatsch.«
    »Doch, das stimmt. Du kannst in die Russel-County-Bücherei gehen und alles darüber lesen. Die haben da immer noch die alten Zeitungen, sind gespeichert auf diesen Micro-Dings oder wie das heißt. Also direkt, nachdem er diesen irren Flügel ans Haus gebaut hatte, sind ruck, zuck paar Mädchen aus der Gegend verschwunden. So ungefähr zehn insgesamt, aber das hat niemanden ernsthaft interessiert, weil es ja bloß Mädchen vom Land waren. Feldmäuse, so nennen wir die.«
    Cassie liebte Gespenstergeschichten, und das hier klang nach einer ganz hervorragenden. »Und was ist mit den Babys?«, drängte sie.
    »Da komm ich gleich drauf zu sprechen. Hast du schon den Keller gesehen?«
    Sie erinnerte sich gut daran: lange, schmale Gewölbe aus Backstein, unter dem neueren Teil des Hauses gelegen. Alles andere als ein typischer Keller. »Mhm. Na und?«
    »Also, es war Blackwell, der die Mädchen entführt hat, und in genau dem Keller hat er sie angekettet. Er hat sie – du weißt schon – geschwängert.«
    »Und weiter?«
    »Dann hat er die Babys geopfert. Sobald die Mädels die Kleinen zur Welt gebracht hatten, ist Blackwell mit ihnen ganz nach oben, in das Zimmer mit dem komischen Fenster …«
    Die oberste Dachkammer , dachte Cassie. Die Mansarde mit dem Oculus .
    »… und dann hat er sie dem Teufel geopfert.«
    Cassie sank enttäuscht zusammen. Sie glaubte kein Wort von der Geschichte, aber sie hatte wenigstens auf ein gespenstisches, etwas originelleres Märchen gehofft.
    »Danach hat er die toten Babys auf dem hinteren Hügel vergraben. Ein paar hat man gefunden und ausgebuddelt, aber da müssen noch viel, viel mehr liegen.«
    »Warum glaubst du das?«
    Roy fuhr ohne Zögern fort. »Weil sie ihn erwischt haben, die örtliche Polizei. Sie haben das Haus gestürmt und die Frauen unten im Keller gefunden. Zehn Frauen waren da, alle noch am Leben, und sie waren zehn Jahre lang verschwunden gewesen. Die paar, die noch sprechen konnten, haben gesagt, dass Blackwell das pausenlos so gemacht hat. Rechne es dir aus. Zehn Frauen, jede kriegt einmal im Jahr ein Kind, zehn Jahre lang! Das macht hundert Babys, die er da oben begraben haben muss.«
    Einhundert , dachte sie. Babys .
    Sie konnte es immer noch nicht glauben. Wenn darin auch nur ein Fünkchen Wahrheit steckte, dann hätte Jervis – mit seinem Hang zu Räuberpistolen – das doch erwähnt.
    »Hügel der schreienden Babys, so nennen sie ihn.« Cassie verdrehte die Augen, als Roy den Wagen anhielt. Seine eine Hand gestikulierte aus dem Fenster auf den weitläufigen bewaldeten Hügel vor ihnen. »Das ist er. Genau hier.«
    »Ich höre aber kein Kindergeschrei«, vermerkte Cassie.
    »Natürlich nicht. Jetzt nicht. Nur nachts.«
    »Natürlich.«
    »Hier draußen schreien sie auch, aber am besten hörst du sie oben beim Haus. Nachts. Um Mitternacht, weil er sie da immer getötet hat.«
    »Natürlich«, wiederholte sie.
    Er grinste sie verschlagen an und trank einen Schluck Bier. »Ich weiß schon. Du denkst ich, ich hab sie nicht mehr alle. Das Bier hat meinen Verstand weggespült, oder so. Aber ich lüg nicht. Jedes Wort ist wahr.«
    »Und warum hab ich dann noch nie die Babys schreien hören?«
    »Weil du nicht richtig zugehört hast, oder …«, Roy zuckte die Achseln. »Oder vielleicht haben die Babys nichts dagegen, dass du da bist.«
    »Hast du sie denn schon mal gehört?«, wollte Cassie wissen.
    Das gerissene Lächeln zerbröselte. Seine Miene wurde ernst, sogar besorgt. »Ja. Einmal.«
    Es war dieser rasche Wechsel seines Gesichtsausdrucks, der sie beunruhigte.
    Roy erzählte weiter, ohne dass sie ihn darum bitten musste. Er leerte seine Dose mit einem langen Zug, wie um sich zu wappnen. »Kurz bevor ich zur Armee gegangen bin. Eine Woche vor der Grundausbildung bin ich mit einem Mädchen rauf nach Blackwell Hall. Um genau zu sein, war es sogar an Halloween. Sie hieß Carrie Ann Wells,’ne echte Schönheit, ich muss dir wohl nicht erzählen, warum ich sie da raufgeschleppt habe.«
    »Du wolltest mit ihr Schach spielen, richtig?«
    Er ließ sich von ihrem leichtfertigen Ton nicht beirren.
    »Sie geht vor mir rein, weil sie einen Joint drehen will. Ich hole noch die Kühlbox mit dem Bier aus dem Pick-up, aber

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