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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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wirklich großartig hier, findest du nicht? Genau wie in D.C. – nur ohne Häuser.«
    Sie blinzelte ihn missbilligend an. »Was hast du da in der Hemdtasche?«
    »Was? Ach, das hier … nur eine Packung Fisherman’s.«
    »Klar, und ich steh auf Britney Spears. Du hast gesagt, du hättest das Rauchen aufgegeben, Dad. Reichen dir zwei Herzinfarkte noch nicht?«
    Er stotterte; sie hatte ihn kalt erwischt. »Hör mal, ich nerv dich nicht mehr mit deinen bonbonfarbenen Haaren und deinen Maryland-Mansion-Klamotten. Also nerv du mich nicht wegen ein paar harmlosen Zigaretten.«
    »Alles klar, Dad. Erstens heißt er Marilyn Manson . Und zweitens: Wenn nächste Woche deine Aorta explodiert, weil ein Korken aus Cholesterinablagerungen drin steckt, und du zappelnd und keuchend auf den Rücken fällst, dir mit den Händen an die Brust fasst und dein Herz aufhört zu schlagen, weil kein Blut mehr darin ankommt, und wenn du Schaum vor dem Mund hast und deine eigene Zunge verschluckst und dein Gesicht die Farbe von Roter Bete annimmt und du verdammt noch mal STIRBST … erbe ich dann diesen riesengroßen Schandfleck von einem Haus?«
    Er grinste und breitete die Arme aus wie ein Prophet vor einer Versammlung von Gläubigen. »Eines Tages, mein Schatz, wird all das dir gehören. Amüsier dich gut.«
    »Ciao.«
    Er tapste unbeholfen in seinen hüfthohen Gummistiefeln davon; Cassie musste kichern. Er ist so ein Idiot … aber ein lieber Idiot .
    Seit sie hierher gezogen waren, hatten sich beide zum Positiven verändert. Keine grässlichen Streitereien über Anpassung und Frisuren mehr. Keine Wutausbrüche mehr wegen ihrer schwarzen Klamotten oder seiner konservativen Einstellung.
    Er hat nur noch mich , dachte sie, und ich habe nur noch ihn .
    Cassie fühlte sich selten ermutigt, doch sie fühlte sich wirklich ermutigt davon, wie gut hier alles zu laufen schien. Er bemühte sich ehrlich, sich mit ihren Gewohnheiten zu arrangieren, und das machte es auch für sie viel leichter, das zu tun. Wie spießig er auch sein mochte, er war ein guter Mensch, und er versuchte jetzt, sich für sie beide in den Griff zu bekommen. Sie und Lissa hatten ihm schlimme Vorwürfe gemacht, als ihre Mutter sie verlassen hatte; eine natürliche präpubertäre Überreaktion. Daddy muss immer arbeiten, und Mommy und wir sind ihm völlig egal. Deshalb hat sie uns verlassen.
    Die Wahrheit war, dass ihre Mutter ein durchtriebenes Luder war, das seine Familie für einen anderen – noch reicheren – Mann verlassen hatte. Cassie wusste das inzwischen. Sie hoffte nur, dass der Ruhestand ihrem Vater helfen würde, endlich glücklich zu werden. Nach all den Tragödien in seinem Leben hatte er das sicherlich verdient.
    Als sie die Steinstufen hinunterstieg, ließ sie den Schatten des Portikus hinter sich. Obwohl sie heute sehr leicht gekleidet war – sie trug einen dünnen schwarzen Sarong zu einem Baumwoll-Tanktop und den guten alten Flipflops -, wurde sie in der Hitze fast geröstet. Gewöhn dich dran , dachte sie. Ich war noch nie in meinem Leben sonnengebräunt, das ist meine große Chance .
    Als sie die halbe Anhöhe hinuntergelaufen war, wandte sie sich zum Haus um. Es ragte vor ihr auf, gewaltig und düster, trotz des hellen Sonnenlichts, ein Steinmonument wie aus einem Horrorfilm. Doch als sie zum Südflügel sah, musste sie lachen: Ihr Vater hatte Washington-Redskins-Wimpel in alle Fenster gehängt, außerdem leuchtete auf dem Dach eine strahlend weiße Satellitenschüssel; ihr Vater konnte zwar ohne die Annehmlichkeiten einer großen Stadt leben, aber er konnte nicht ohne SportsCenter, Crossfire und den E!Channel leben. Es war witzig, wie er vorgab, sein Leben einzuschränken, als wollte er sich von früherem Luxus lossagen. Einmal war er aus dem Supermarkt nach Hause gekommen und hatte eine Tüte getrockneter Pintobohnen mitgebracht. »Nur fünfunddreißig Cent das Pfund«, hatte er geprahlt. »Das nenn ich Sparsamkeit.«
    »Ja, Dad«, hatte sie ihm zugestimmt. »Du trittst wirklich ein bisschen kürzer. Tut dir gut.«
    Da hatte es an der Tür geklingelt, und ihr Vater war losgestürmt. »Das muss der FedEx-Mann sein. Ich habe Hummerschwänze aus Neuseeland und Ossetra-Kaviar bestellt …«
    Mhm, er schränkt sich ein, ganz klar .
    Jetzt bedachte Cassie das massige Gebäude noch einmal mit einem prüfenden Blick, dann nickte sie zufrieden. Das ist jetzt mein Zuhause, wurde ihr bewusst. Und der Gedanke gefiel ihr.
    Sie setzte die Kopfhörer auf, wählte

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