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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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meinem Vater.« Sofort bereute sie ihre Worte. Sehr clever, Cassie. Gerade hast du diesem WILDFREMDEN MANN verraten, wo du wohnst . Aber er schien ganz nett zu sein, auf seine ganz spezielle Hinterwäldlerart, und das mit seinem Arm tat ihr Leid.
    »Ja, ich kenne den Typen, der da oben mit seiner Mutter zusammen arbeitet. Jervis. Seine Mutter ist ganz in Ordnung, aber diesen Jervis musst du im Auge behalten. Der riskiert gerne mal einen Blick durchs Fenster und so. Musste mal dreißig Tage im Gefängnis von Luntville absitzen, weil er heimlich kleine Schulmädchen begafft hat.«
    Ist ja reizend , dachte Cassie und runzelte die Stirn. »Hey, ich will dir keine Angst machen oder so was. Er muss ein paar schicke Pillen schlucken, ist eine Bewährungsauflage. Lenkt ihn von solchen Sachen ab. Aber vielleicht solltest du trotzdem ein bisschen Papier in dein Schlüsselloch stopfen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Danke für den guten Rat.«
    »Ich an deiner Stelle würde mir aber mehr Sorgen um das Haus selbst machen. Der Kasten ist echt übel.«
    Die Bemerkung ließ sie hellhörig werden. »Ach was, lass mich raten. Es spukt, richtig?«
    »Nein.« Er nahm noch einen Schluck Bier. Ein Augenblick verstrich. »Viel schlimmer als ein harmloser Spuk. Du weißt schon. Wenn man bedenkt, was da los war.«
    »Alles klar, jetzt hast du mich neugierig gemacht«, gab Cassie zu.
    »Komm, wir fahren ein bisschen rum, und ich erzähl dir alles über das Haus, wenn du willst.«
    Cassie sah ihn nur an und dachte, So blöd und naiv bin ich nun auch wieder nicht, dass ich zu einem wildfremden, einarmigen, halb betrunkenen Redneck ins Auto steige.
    »Okay, Roy, fahren wir los«, sagte sie und stieg ein.

III

    Es stellte sich heraus, dass Roy mit der Gangschaltung besser umgehen konnte als sie. Der Griff mit dem linken Arm zum Schalthebel dauerte nur ungefähr eine Sekunde, dann lag die Hand wieder sicher auf dem Lenkrad.
    »Machst du mir mal eins von den Bieren auf, wenn’s geht?«, bat er. »Und nimm dir ruhig auch eins.«
    »Nein, danke. Ich hab vor zwei Jahren damit aufgehört.« Sie zog eine Dose aus der Styropor-Kühlbox unter den Sitzen hervor, öffnete sie und reichte sie ihm herüber.
    Er steuerte mit dem Knie weiter, als er die Dose entgegennahm. »Könnte wetten, dass du noch nicht mal alt genug zum Trinken bist, und bist schon unter die Abstinenzler gegangen. Tolle Sache. Aber du kriegst noch früh genug raus, dass man in diesem Kaff nichts machen kann außer trinken und schwitzen.«
    Das war Cassie allerdings auch schon aufgefallen. Sie zog bei jedem Schlagloch eine Grimasse; die Federung des Pick-up war völlig im Eimer, und den Geräuschen nach zu urteilen, war der Auspuff ebenfalls hinüber. Sehr stilvoll , dachte sie sarkastisch. Wow, dahinter muss sich Dads Cadillac echt verstecken. Roy fuhr eine lange, schmale Straße hinter der Geschäftsstraße entlang, und bald waren sie in dichtem Wald.
    »Alles auf dem Blackwell-Hügel ist verflucht, erzählt man sich. Darf ich dich mal was fragen? Als du und dein Vater da eingezogen seid, da waren doch die meisten Möbel noch drin, oder?«
    »Ja, das stimmt.« Sie musste zugeben, dass ihr der Umstand seltsam erschienen war.
    »Nach all dieser Zeit sieht vermutlich eine Menge von dem Zeug aus wie Schrott, aber du kannst mir glauben, in dem Haus gibt’s ein paar richtig wertvolle Antiquitäten.«
    »Ich weiß. Wir haben das meiste behalten. Mein Vater hat die Sachen von ein paar Restauratoren aus Pulaski reinigen lassen.«
    »Und das findest du nicht merkwürdig?« Roy warf ihr einen schnellen Seitenblick zu und trank aus seiner Bierdose.
    »Ein bisschen. Es sind echt viele Möbel.«
    »Seit siebzig Jahren wohnt keine Menschenseele mehr in dem Haus. Überall steht dieser teure Kram rum, und trotzdem hat in all den Jahren niemand was mitgehen lassen. Überall sonst – Scheiße. Das Gesindel aus der Gegend hier hätte doch das Haus in einer einzigen Nacht leer geräumt.«
    Cassie dachte darüber nach. »Du hast Recht, das ist schon irgendwie merkwürdig. Warum ist nie jemand eingebrochen?«
    »Weil man eben nachts die Babys schreien hört. Hast du sie auch schon gehört?«
    »Babys? Nein. Ich hab überhaupt nichts Komisches gehört. Was für Babys?«
    Roy legte den Kopf schief, er schien nach den passenden Worten zu suchen. »Das war Blackwell. Alles, was südlich vom Ort liegt, hat ein Blackwell im Namen – der Hügel, der Fluss und der Sumpf. Weil es da mal einen Typen gab,

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