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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Dämonenkinder an ihren Pulten sitzen sehen. Die Feuerwehrleute stürmten hinein, der Schlauch wurde geöffnet und dann gellten die Schreie durch das einsetzende Knistern. Aus der Düse kam kein Wasser, sondern Flammen. Die Realschule wurde abgefackelt. Walter rannte weg, um die Schreie der brennenden Dämonenkinder nicht hören zu müssen.
    »Man kann der Zukunft nicht davonlaufen«, sagte jemand, als er schnaufend um die Ecke bog. Mitten auf der Straße pickten zwei Greife in der Größe von Dobermännern gierig Fleischfetzen von einem Leichnam. Dann sah Walter, dass der Körper sich noch bewegte.
    »Und er wird nicht sterben, nicht ganz jedenfalls«, erklärte man ihm. »Das ist ein Mensch. Ein menschlicher Astralkörper stirbt nur, wenn er komplett zerstört wird. Dann wandert seine Seele in etwas anderes, einen Dämon, einen Käfer oder einen Wurm.«
    Wer erzählte ihm das eigentlich? Walter sah sich völlig verstört um, dann bemerkte er eine atemberaubende Frau, die in der kleinen Nische zwischen zwei Backsteinhäusern stand. »Wer sind Sie?«, fragte er. Doch die Bedeutung der Frage verblasste, als er sie näher betrachtete.
    Der glänzend blaue Vinylmantel ließ sie aussehen wie eine Art hipper Herzogin. Um den Hals trug sie ein Samthalsband. Ihr Haar hing perfekt gepflegt gerade herunter; es war glatt und glänzte wie schwarze Seide. Der brennende Phosphor einer Straßenlaterne zeichnete ein exaktes, hübsches Karomuster auf ihr Gesicht. Ihre Augen waren so groß und leuchtend, dass sie das Gesicht beinahe surrealistisch beherrschten.
    »Ich bin Namenlos«, sagte sie.
    »Namenlos?« Walter musste fast lachen. »Das nenn ich mal einen Vornamen.«
    »Ich darf keinen Namen sagen, Walter.«
    »Woher wissen Sie dann meinen Namen?«
    »Ich bin eine Wahrsagerin.« Sie schien sich noch weiter in den Schatten der Nische zurückzuziehen. Die eng an die Seite gepressten Arme ließen ihre Brüste hervortreten. Mein Gott, ist sie hübsch , schoss es Walter durch den Kopf.
    »Ich war eine Hexe des Daktylusrangs am Hofe König Mursils des Ersten«, fuhr sie flüsternd fort. »Man hat mich wegen Häresie hingerichtet – ich habe dem König bewusst eine falsche Zukunft geweissagt -, deshalb kam ich in die Hölle. Ich bin schon ziemlich lange hier.«
    Das verwirrte Walter nur noch mehr. »Was machen Sie da – verstecken Sie sich in der Ecke? Sie wirken so …«
    »Ja, ich verstecke mich. Ich bin nur in den Niederen Sphären in Sicherheit. Wenn ich mich in die Mephistopolis schleiche, gelte ich als flüchtig.«
    »Warum denn?«
    »Weil ich mich weigere, für Luzifers Wahrsager zu arbeiten. Man betrachtet mich als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Die Golems suchen wahrscheinlich genau in diesem Moment nach mir.«
    Golems? »Aber warum kommen Sie dann überhaupt her? Warum bleiben Sie nicht da, wo Sie in Sicherheit sind?«
    »Weil das nicht in meiner Zukunft liegt. Du liegst in meiner Zukunft.«
    »Hä?«
    »Das ist ein Traum, Walter.«
    »Das hab ich schon gehört.«
    »Und ich bin eine Vorahnung …«
    Walter runzelte die Stirn. »Wenn Sie die Zukunft voraussagen können, sagen Sie mir meine.«
    »Die Zukunft ist nicht veränderbar, Walter. Wenn sie es wäre, könnte ich sie verändern, richtig? Ich könnte sie verändern, indem ich dir eine Wahlmöglichkeit gebe. Aber das geht nicht, also warum sollte ich sie dir sagen?«
    So klug Walter auch sein mochte, dieses Argument verstand er nicht. Abwesend ließ er seinen Blick die Straße hinunterschweifen; die Greife waren verschwunden und hatten von dem Körper nichts als Knochen übrig gelassen. Dann hievten die Knochen sich hoch und gingen taumelnd ihrer Wege.
    »Du willst dich umbringen, stimmt’s Walter?«
    Die Frage schockte ihn. Er ließ den Kopf hängen. »Ja.«
    »Wegen eines Mädchens?«
    »Ja.«
    »Du liebst sie, aber sie liebt dich nicht?«
    Was sollte er schon sagen?
    »Verzweifle nicht«, sagte Namenlos. »Freu dich deines Lebens.«
    Ohne Candice habe ich kein Leben . Nur eine erbärmliche Existenz. Ich bin erbärmlich , dachte er. Er sah Namenlos an. »Okay, sagen Sie es mir. Was für einen Unterschied macht es denn? Wird Candice mich jemals lieben?«
    »Das ist … eher unwahrscheinlich«, entgegnete Namenlos.
    Unwahrscheinlich. Sehr höflich ausgedrückt. Aber das hatte er doch immer gewusst, oder etwa nicht? Er war erst achtzehn Jahre alt, hatte praktisch überhaupt keine Erfahrung mit Frauen, doch er wusste es. Und trotzdem: Es aus ihrem Mund zu

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