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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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Sehenswürdigkeit vorbeizufahren. Langdon hatte gehört, dass die Zahl der Kreuzfahrtschiffe in den letzten Jahren so sehr zugenommen hatte, dass sie inzwischen ständig hier vorbeifuhren, Tag und Nacht.
    Maurizio betrachtete die einlaufenden Kreuzfahrtschiffe und blickte dann nach links zu einem nicht weit entfernten überdachten Steg. »Ich kann anlegen an Harry’s Bar.« Er deutete auf das Restaurant, das für die Erfindung des Bellini berühmt war. »Die Piazza San Marco ist nur kurze Fußmarsch weit.«
    »Nein, bringen Sie uns bis dorthin«, wies Ferris ihn an und deutete zu den Anlegestellen am Markusplatz.
    Maurizio zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Wie Sie wolle. Halten fest!«
    Der Motor brüllte auf, und das Boot brach durch die Dünung und fuhr in einen mit Bojen markierten Verkehrsweg. Die vorbeifahrenden Kreuzfahrtschiffe sahen wie schwimmende Apartmentgebäude aus, und kleinere Boote hüpften in ihrem Kielwasser wie Korken.
    Zu Langdons Überraschung kreuzten auch Dutzende von Gondeln den Weg der riesigen Schiffe. Ihre schmalen Rümpfe – zwölf Meter lang und gut eine halbe Tonne schwer – lagen erstaunlich stabil in dem rauen Gewässer. Jede Gondel wurde von einem Gondoliere gelenkt, der in seinem traditionellen schwarz-weiß gestreiften Hemd unerschütterlich auf der linken Seite des Hecks stand und ruderte. Selbst in der rauen See war deutlich zu erkennen, dass die Gondeln sich auf mysteriöse Weise nach links neigten, ein Umstand, so hatte Langdon gelernt, der in der asymmetrischen Konstruktion der Boote begründet lag. Der Rumpf jeder Gondel war leicht nach rechts gebogen, weg vom Gondoliere; das sollte verhindern, dass das Boot, das nur rechts gerudert wurde, ständig nach links abtrieb.
    Stolz deutete Maurizio auf eine der Gondeln, als sie daran vorbeirasten. »Sehen Sie metallene Ding da?«, rief er über die Schulter hinweg und deutete auf den Kopf am Bug einer Gondel. »Das ist einzige Stück Metall an jede Gondel«, erzählte er. »Wir nennen es ferro di prua , Bugeisen. Ist eine Bild von Venezia.«
    Maurizio erklärte weiter, dass der sensenförmige Bugbeschlag in Venedig eine symbolische Bedeutung besaß. Die geschwungene Form des Ferro repräsentierte den Canal Grande, die sechs Zähne die sestieri , die sechs Bezirke von Venedig, und das rechteckige Blatt war ein stilisiertes Abbild der Dogenkrone.
    Der Doge, dachte Langdon und kehrte in Gedanken wieder zu ihrer Suche zurück. Suchet den verräterischen Dogen von Venedig, der Rössern den Kopf abschlug und die Knochen der Blinden raubte. Langdon schaute zum Ufer, wo ein kleiner Park mit Bäumen bis ans Wasser reichte. Über den Wipfeln erhob sich der rote Glockenturm des Markusdoms, und darauf thronte die goldene Statue des Erzengels Gabriel, der aus schwindelerregenden fünfzig Metern Höhe auf Venedig hinunterblickte.
    In der vom Untergang bedrohten Stadt ohne jede Geländeerhebung diente der riesige Campanile di San Marco als Orientierungspunkt für alle, die sich in das Labyrinth der Kanäle und Wasserstraßen begaben. Wenn ein Reisender sich verirrte, musste er nur nach oben schauen und wusste sofort, in welcher Richtung der Markusplatz lag. Langdon fiel es noch immer schwer zu glauben, dass der massive Turm im Jahre 1902 zusammengebrochen war. Nur noch ein gigantischer Trümmerhaufen auf dem Markusplatz war übriggeblieben. Bemerkenswerterweise hatte die Katastrophe damals nur ein einziges Opfer gefordert: eine Katze.
    Besucher konnten die unnachahmliche Atmosphäre der Stadt an vielen atemberaubenden Stellen erleben, doch Langdons Lieblingsort war schon immer die Riva degli Schiavoni gewesen. Die breite Promenade direkt am Ufer war im neunten Jahrhundert aus Schlammziegeln angelegt worden und führte vom alten Arsenal bis zum Markusplatz.
    Sie wurde von feinen Cafés und eleganten Hotels gesäumt, und dort lag auch das Geburtshaus von Antonio Vivaldi. Die Promenade nahm ihren Anfang an den alten Werften der Stadt, wo die Luft einst vom Duft kochenden Pinienharzes erfüllt gewesen war, gemischt mit dem Gestank des Pechs in den Kesseln. Angeblich hatte ein Besuch auf diesen Werften Dante Alighieri dazu inspiriert, Flüsse aus kochendem Pech als Folterinstrument in sein Inferno aufzunehmen.
    Langdons Blick wanderte nach rechts, die Riva entlang bis zum dramatischen Ende der Promenade. Hier am südlichen Rand des Markusplatzes traf der breite gepflasterte Weg auf das offene Meer. In Venedigs goldenem Zeitalter hatte man

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