Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
und lehnte sich etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Ist sie im Musikzimmer? Gerade noch konnte er die Ecke eines Pianofortes erspähen.
Während er Mara neugierig beobachtete, sah Jordan, wie sie ihren kleinen Sohn hochhob und ihn wie eine Puppe in die Luft warf. Durch die Stille konnte Jordan gerade eben die fröhlichen Worte ausmachen, die sie ihrem Kind zurief: „Ich hab dich!“
Der Kleine quietschte ausgelassen, und seine Mutter sah ihn stolz und bewundernd an.
Jordan schnürte sich die Kehle zu, und er musste seinen Blick abwenden, noch ehe Mara mit dem Jungen auf der Hüfte vom Fenster weggetreten war.
Als er erneut hinüberschaute, waren sie verschwunden, und ihm schien, als ziehe sich die Dunkelheit dichter um ihn zusammen.
Für einen Augenblick konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Die Verzweiflung, die ihn ergriff, war düsterer als diese kalte Winternacht. Tief holte Jordan Luft, um sich zu beruhigen.
Zumindest machte Mara einen glücklichen Eindruck, und das war alles, was zählte. Er selbst war auch glücklich, rief Jordan sich ins Gedächtnis. Gut, vielleicht war zufrieden ein besserer Ausdruck. Oder nicht allzu verzweifelt.
Wem, zum Teufel, versuchst du eigentlich, etwas vorzumachen?
„Wäre ich doch besser mit Beauchamp ins Bordell gefahren“, murmelte Jordan.
Als sie seine Stimme hörten, spitzten die Pferde die Ohren, doch ihr Herr sprach bloß mit sich selbst.
Mit einem Achselzucken schüttelte Jordan die innere Leere ab und nahm die Zügel auf, sodass die Tiere in einen leichten Trab verfielen.
Doch das Echo von Maras Gelächter und dem ihres Sohnes verfolgte ihn bis zu seinem Zuhause, einem prächtigen Palast mit Säulen am Grosvenor Square - majestätisch, weitläufig, in jeglicher Hinsicht gut ausgestattet - und so still wie ein Grab.
Jordans Seufzer prallte von den Wänden der marmornen Eingangshalle ab, als er eintrat, seinem Butler Hut und Mantel reichte und müde die gewundene Treppe zu seinem dunklen, riesigen Schlafgemach hinaufstieg.
Während er sich auszog und bettfertig machte, trank Jordan ein Glas Brandy. Doch kaum hatte er seinen Kopf auf das Kissen gelegt und erschöpft die Augen geschlossen, befand er sich wieder in dem verdammten Landhaus von damals ...
Agenten des Ordens reisten für gewöhnlich allein und mit leichtem Gepäck, im Gegensatz zu jungen Earls auf Urlaub. Letztere brachten ihre Diener mit, die die Koffer ihres Herrn trugen. Als Jordan damals auf dem dekadenten Landsitz seiner Gastgeber eingetroffen war, ließ er seinen Kutscher und den Diener seine Reisetruhen in das luxuriöse Gästezimmer bringen, das man ihm zugewiesen hatte.
Nach kurzer Zeit überließ er dem Bediensteten das Auspacken und trat auf den Korridor hinaus, auf der Suche nach dem Frühstückssaal. Man hatte Jordan mitgeteilt, dass sich die Gäste am Nachmittag dort trafen, um Erfrischungen einzunehmen, sich miteinander bekannt zu machen und um die Pläne für die nächsten Tage zu erfahren.
Als Jordan den mit allerlei Kunstwerken geschmückten Korridor entlangging, fragte er sich, welchem britischen Konsul er wohl zugeteilt werden würde, wenn er in Kürze auf seine erste Mission ging. Doch er wurde jäh in seinen Gedanken unterbrochen, als er plötzlich Zeuge eines Streits wurde, der aus einem der anliegenden Räume drang.
Ob des Lärms blieb er stehen, hob fragend eine Augenbraue und wandte sich der Tür zu.
Durch die Wand hindurch konnte er deutlich eine sehr verärgerte Frau hören, die ihr armes Gegenüber lautstark schalt. Jordan wusste, dass es sich nicht schickte zu lauschen, doch er war schließlich ein Spion. Daher blieb er und hörte weiter zu.
„Du dummes Mädchen, du bist wirklich das unnützeste Geschöpf auf Erden! Was soll ich mit diesem Kleid, wenn du die passenden Handschuhe nicht eingepackt hast?“
Jordan runzelte die Stirn. Menschen von Rang und Namen sollten ihre Bediensteten keinesfalls auf solch boshafte Art beschimpfen.
„ Herrgott, Mara, du bist eine unsägliche Plage. Warum kannst du nicht einmal etwas richtig machen? Ich wusste, dass es eine Katastrophe sein würde, dich mit hierher zu nehmen. Wenn ich nicht so ein gutes Herz hätte, wärst du zu Hause geblieben. Und was ist der Dank dafür?“
„Aber Mama, die anderen Handschuhe würden ebenfalls ... “ „Wag es nicht, mir zu widersprechen!“
Klatsch!
Vor Schreck stand Jordan der Mund offen.
„Das hast du nun von deiner Unverschämtheit, du freche Göre! Noch so eine
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