Infinitas - Licht der Finsternis (German Edition)
aneinander, die durch das Licht, das die riesigen Fenster hindurchließen , noch besser in Szene gesetzt wurden.
Als ein rotes Gewand in ihr Blickfeld kam, versuchte sie diesem auszuweichen, doch sein Träger folgte ihr. Als sie den Blick erhob, war Sunny für eine Sekunde der Meinung, in Maroushs Augen zu blicken, doch der Mann, der vor ihr stand, war älter und größer. Er trug das Gewand der Domschweizer, die für die Ordnung im Dom verantwortlich waren. Er hielt ihr eine Holzkiste hin.
»Eine Spende , schöne Frau?« Sein Akzent war eindeutig arabisch.
So früh am Morgen gab es noch keine Touristen in der Krypta. Maroush war ganz allein und betrat den kleinen Raum. Eine Stuckdecke zierte das etwas erhöhte Mittelschiff. In der Mitte standen einige wenige Bänke, die Seiten wurden von Bogengängen geziert. Im hinteren Teil gab es Tafeln mit den Namen der verstorbenen Erzbischöfe Kölns. Die Tafel mit den Bischöfen ab 1866 interessierte ihn besonders. Etwas daran war ihm schon bei seinem ersten Besuch aufgefallen, doch er wusste nicht mehr, was. Er trat n ä h er an die Tafel heran und da entdeckte Maroush, was ih m nur undeutlich in Erinnerung geblieben war : Einige der Buchstaben trugen am rechten oberen Rand kleine Markierungen, so als ob jemand sie gekennzeichnet hätte. Er nahm mit seinem Handy ein Foto auf und notierte sich die Lettern: P, E, A, M, R, A, I, D, S, E, R, T, O, N.
Oben in der Kirche angekommen, machte sich Maroush auf die Suche nach Sunny. Draußen würden sicher schon Shia und Ewa auf sie warten. Schon von Weitem sah er Sunny in einem Gespräch mit einem der Domschweizer, der ihm den Rücken zuwandte. Raschen Schrittes näherte er sich und blieb abrupt stehen, als er die Stimme des Mannes vernahm.
»Vertraue Allah – aber binde dein Kamel an«, sagte Maroush leise und nahm Sunny besitzergreifend in seine Arme.
»Ma r oush«, Sunny strahlte ihn geradezu an . » D ieser Domschweizer kommt ebenfalls aus Marokko und ist ...«
» Omar Rayhan ibn Ziyad, mein Bruder.«
Die hoch stehende Sonne kündigte einen schönen Tag an. Eine leichte Brise wehte über die üppig grünen Felder und zerzausten Violett das lange blonde Haar. Sie stand an der Klippe und schaute auf das Meer hinaus. Ihre Gedanken wanderten zu dem Tag zurück, an dem sie an Land gespült worden war. Sie hatte keine Erinnerung mehr daran, wie sie über Bord des Schiffes gegangen war . Vielleicht hatte es sie auch mit in die Tiefe gerissen. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, bevor Marten sie wieder zum Leben erweckt hatte, war, dass eine Zigeunerin ihr die Zukunft aus der Hand gelesen hatte. Ein unendliches Leben hatte sie ihr prophezeit. Eine Liebe, die lange vergessen, aber nie überwunden wird, sollte sich eines Tages offenbaren – und ein Kind, das ihr Lebensglück vollkommen machte , gehörte ebenfalls zu den Voraussagen der alten Zigeunerin. Die Alte hatte ihr eine kleine Flasche gereicht und sie fast gezwungen, den Inhalt zu trinken. Als wäre es gestern gewesen, erinnerte sich Violett an den bitteren Geschmack des Trunks. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Da ertönten Schritte hinter ihr , die sie der Vergangenheit entfliehen ließen.
»Du hast mir nie von ihm erzählt.« Marten führte ein Pferd an den Zügeln und blieb neben ihr stehen. Er war wie immer vorzüglich gekleidet. Das Reitdress war maßgeschneidert, sein langes Haar gab ihm etwas Verwegenes.
»Es gibt nichts, was von Bedeutung wäre.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
Violett nickte stumm.
»Das sehe ich anders. Niemand reagiert so auf eine Person, die ihm nichts bedeutet. Egal, ob Mensch oder Vampir!«
Sie wandte sich i h m zu. »Ich war einfach nur überrascht, ihn zu sehen nach all den Jahren.«
»Ich habe Aragón auch Jahrhunderte nicht gesehen und war bei Weitem nicht so überrascht wie du, meine Liebe. Also höre auf, mir Märchen zu erzählen.«
Violett nahm seinen Arm und setzte ihren Spaziergang am Rande der Klippe fort. »Heißt es nicht, die erste Liebe vergisst man nie? Ramiro war meine erste und einzige Liebe – ein König. Wer verliebt sich schon in einen König?« Sie blickte ihn fragend an.
»Ganze Volksscharen verlieben sich in Könige.«
»Nicht so, wie ich mich in ihn verliebt habe. Diese Liebe war so überirdisch , n ur gab es ein Problem – neben der Tatsache , das s er der König war. Ramiro war verheiratet. Die Königin, eine entfernte Cousine, ließ mich auf ein Schiff entführen, das
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