Infinity (German Edition)
Gesicht, das so wütend durch mich hindurchschaut.
Er zuckt einen Wimpernschlag vor mir zusammen. Hat ihn auch nicht hereinkommen gehört.
»Kommen Sie mit. Man will mit Ihnen sprechen.« Dieser Mensch jagt mir jedes Mal einen kalten Schauer über den Rücken. Jemand, der sich nie anders zeigt, als ganz in Schwarz gekleidet, ist entweder von einem Bestattungsunternehmen oder er will nicht auffallen. Beides macht mir Angst.
Papas Blick schnellt zu mir. Ich sehe das Flackern in seinen Augen.
»Ich begleite dich.« Ich höre es selbst. Es klingt zaghaft. Und ich bin froh, dass der schwarze Mann abwinkt. Und schäme mich dafür.
»Nur er.« Sein Kinn zuckt in Papas Richtung. Seine rechte Sakkotasche hat eine Beule. Von der Hand, die er drinnen stecken hat? Oder von einer Waffe, die er versteckt auf Papas Rücken richtet? »Sie bleiben hier und warten auf neue Anweisungen. Wir melden uns.«
In diesem Moment weiß ich es: Papa wird nicht zurückkommen.
Der weiche Körper in meiner Hand zappelt. Die schrillen hohen Töne lösen meine Erstarrung.
»Nein!«
Ich werde alles machen, was sie von mir verlangen. Sie dürfen ihn mir nicht nehmen.
Nicht auch noch ihn.
_ 9 _
Klara konnte die Hand nicht vor den Augen sehen, als sie vor Alen die Tür zum Partykeller der Schule aufdrückte. Was einerseits an den dichten Rauchschwaden lag, die ihnen entgegenwaberten, aber mindestens im gleichen Maße auch der schummrigen Beleuchtung und dem Stroboskoplicht zuzuschreiben war, das sie einhüllte, sobald sie den ersten Schritt in den Raum gesetzt hatten.
Eigentlich hatte Klara kein gesteigertes Bedürfnis nach Party gehabt. Nach allem, was in den letzten Tagen passiert war, wäre sie überall woanders lieber gewesen als inmitten einer grölenden, sich zu stampfenden Bässen wiegenden Horde ausgeflippter Schüler. Dass sie trotzdem versuchte, den Lärm zu übertönen, war im Grunde Alens Schuld.
Seit sie ihn gestern vom Bahnhof abgeholt hatte, war sie kaum mehr dazu gekommen, sich über ihren eigenen Zustand Gedanken zu machen. Ihre Mutter hatte die geniale Idee gehabt, Richis Mutter um Unterkunft für Alen zu fragen. Schließlich hatte sie doch ein Zimmer frei, seit Richi in Innsbruck war. Die beunruhigenden Neuigkeiten, die Alen ihr von Richi überbringen musste, führten dazu, dass sie sich sofort dazu entschloss, zu ihrem Sohn zu fahren. Die beiden hatten also praktischerweise nur ihre Wohnungsschlüssel ausgetauscht und so kam es, dass Alen in die Wohnung gegenüber eingezogen war.
Wie Klara vermutet hatte, verstanden sich ihre Mutter und Alen auf Anhieb prächtig und so saßen sie keine Stunde nach seiner Ankunft bereits um den groben Holztisch in ihrer winzigen Küche und Klaras Mutter fragte den Gast ungeniert aus.
Kontaktfreudigkeit war neben Besserwisserei und sich Sorgenmachen eine ihrer herausragenden Eigenschaften und Klara fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie sich deswegen genieren oder die ungezwungene Art ihrer Mutter bewundern sollte. Wenigstens erfuhr sie so auf schnellstem Wege alles über den jungen Mann, der es in kurzer Zeit geschafft hatte, ihre geordnete Gedankenwelt gehörig durcheinanderzubringen.
Als er schließlich erzählte, dass er vor zwei Jahren an der Sir-Karl-Popper-Schule maturiert hatte, schnappte Klara nach Luft. Konnte es solche Zufälle überhaupt geben? Sofort waren sie mittendrin, sich gegenseitig Lehrernamen zuzurufen und sich über deren Macken und Besonderheiten lustig zu machen.
Weil Alen darauf brannte, seine alten Lehrer wiederzusehen, stimmte Klara schließlich zögernd zu, ihn auf das Schulfest zu begleiten, das schon zu Alens Zeiten an jedem dritten Freitag im Monat in dem von den Schülern zum Partyraum umgestalteten Keller des Schulgebäudes stattfand.
Allzu viele Lehrer waren allerdings nie dabei, wenn die Oberstufenschüler zu den neuesten Dancefloor-Mixes in ekstatische Trancezustände verfielen. Sie drängten sich gerade zur Bar durch, als Alen mit einem Ruck stehen blieb.
»Was ist da drüben los?« Er musste sich zu ihr runterbeugen und ihr ins Ohr brüllen, damit sie verstand, was er sagte. Ihr Blick folgte seiner Hand, mit der er über die Tanzfläche zum anderen Ende des Raums deutete. Dichter Rauch und das zuckende Licht machten es schwer, etwas zu erkennen und die laute Musik übertönte die Stimmen. Klara kniff die Augen zusammen. Alen hatte recht. Da hinten ging etwas ab, das nichts mit Spaß oder Tanzen zu tun hatte. Fetzen von Gebrüll drangen zu
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