Infinity (German Edition)
überhaupt? Sie hatten nie davon gesprochen … sich noch nicht einmal geküsst. Aber sie hatte schon ein paarmal daran gedacht … Wie es wäre, Jonas zu küssen … Sie schüttelte heftig den Kopf. Das alles ging Alen wirklich überhaupt nichts an. Und es hatte nichts mit der ganzen Sache zu tun, die momentan alle verrückt machte.
»Am selben Abend wie Richi hat auch Jonas jemanden zusammengeschlagen. Und bis jetzt kennt niemand den Grund dafür.«
Sie hatten inzwischen den Bahnhof erreicht. Angestrengt starrte Klara auf die Anzeigetafel, die eine Wartezeit von drei Minuten bis zum Eintreffen des nächsten Zuges verkündete.
… er ist über dich hergezogen … das hat mich irre wütend gemacht …
Klara schüttelte noch einmal den Kopf und beugte sich über ihre Handtasche. Umständlich kramte sie darin. Nach einem Taschentuch. Und ihrem Fahrausweis. Und der Geldbörse. Und dem Handy. Als ihr nichts mehr einfiel, wonach sie sonst noch hätte suchen können, hob sie endlich wieder den Kopf und begegnete Alens Blick, den sie die ganze Zeit auf sich gespürt hatte. Er lächelte und Klara hatte das Bedürfnis, irgendetwas Erklärendes zu sagen. Aber ihr Hirn war leer und ihre Kehle ausgedörrt. Zu ihrer Erleichterung wurden sie in diesem Moment von einer sonoren Stimme aus dem Lautsprecher dazu aufgefordert, zurückzutreten. Der einfahrende Zug erlöste sie aus der peinlichen Erstarrung, die von ihr Besitz ergriffen hatte.
In der S-Bahn saßen sie sich gegenüber und Klara war froh, dass Alen das Thema wechselte und von der Uni und seiner Arbeit zu erzählen begann. Der Moment von viel zu großer Nähe, den sie als so beklemmend empfunden hatte, war vorüber, und als sie vor ihrer Wohnung angekommen waren, winkten sie einander freundschaftlich zu, bevor Klara die Tür leise hinter sich zuzog und auf Zehenspitzen in ihr Zimmer schlich.
_ 10 _
Normalerweise genoss Klara ihr gemütliches Samstagmorgen-Frühstück ganz besonders. Noch im Pyjama schlürfte sie ihren Kakao, stopfte Kuchen, Gebäck oder anderes Süßzeug in sich hinein, das ihre Mutter für sie hergerichtet hatte, und blätterte in den Zeitungen, die sie abonniert hatte, seit sie ins Gymnasium gekommen war. Dabei fand sie es immer besonders anregend, nicht nur die seriöse Presse zu lesen, sondern auch diverse Klatsch- und Tratschblätter auf ihren Schreibstil und ihre Inhalte hin zu analysieren.
Die erste Seite, die sie sich an diesem Samstagmorgen zu Gemüte führte, war wie immer das Horoskop. Frau Herthas Blick in die Sterne bot geballte Lebensweisheit, die Klara sich auf keinen Fall entgehen lassen konnte. Diesmal gab es eine profunde Analyse für die Suche nach dem richtigen Partner. Die Wassermann-Frau ist selbstbewusst und freiheitsliebend und lässt sich nicht gerne etwas vorschreiben, erfuhr sie, während sie an einem Butterkipferl mit Marillenmarmelade kaute. Das fand sie nicht allzu überraschend. Wer ließ sich schon freiwillig einsperren? Lassen Sie also besser die Finger vom streng-strategischen Skorpion …Welch wunderbare Alliteration! Klara rollte begeistert mit den Augen. … und halten sie sich lieber an den gutmütigen Schütze-Mann – als Beschützer und Stütze zugleich ist er die perfekte Ergänzung für alle, die gerne ihre Grenzen sprengen. Noch beim Weiterblättern amüsierte sich Klara über das Wortspiel vom stützenden Be-Schützer, als ihr das Lachen im Hals stecken blieb.
Woher das lokale Klatschblatt seine Informationen hatte, war nicht ersichtlich, aber unter der reißerischen Überschrift »Faustrecht in der Schuldisco« entdeckte Klara einen Artikel über die Geschehnisse der letzten Nacht.
Plötzlich fand sie den lockeren Stil des Blattes nicht mehr ganz so amüsant. Im Gegenteil. Der Text regte sie mit jeder Zeile mehr auf. »Fantasie hat der Autor ja, das muss man ihm lassen.« Da war von einem Großaufgebot von Polizei und Rettung, Massenhysterie und mehreren Schwerverletzten die Rede. Und selbstverständlich fehlte auch die obligatorische Vermutung von Alkohol- und Drogenmissbrauch nicht, mit der rasch eine Erklärung für die Schlägerei bei der Hand war.
»Wenn das alles so einfach wäre.« Sie schnaubte durch die Nase und griff nach der nächsten Zeitung auf ihrem Stapel. Eine mit mehr Niveau. Ihr Bedürfnis nach Räuberpistolen war fürs Erste gedeckt.
Das Rascheln von Papier, während sie umblätterte und hin und wieder ein leises Plätschern, wenn sie sich etwas Kakao in ihre Tasse nachgoss,
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