Infinity (German Edition)
Lucie und Klara zu den anderen in die Aula. Nur langsam ließ bei Klara die Anspannung nach. Die Hände um die heiße Tasse gelegt, hörte sie eine Weile den Gesprächen zu, ohne sich selbst daran zu beteiligen. Natürlich war die Schlägerei das Thema. Alles drehte sich um die Frage nach dem Auslöser. Eigentlich gab es niemanden, der hautnah dabei gewesen war, als der Streit ausgebrochen war, trotzdem schlugen die Mutmaßungen und Gerüchte bereits hohe Wellen.
»Habt ihr das nicht auch gesehen? Da war doch jemand beim Eingang, der hat etwas ausgeteilt. Nein, mir nicht, aber vielleicht an die anderen …« Sandras große goldene Ohrringe pendelten gegen ihre Wangen, als sie sich mit gespreizten Fingern immer wieder durch ihre langen Haarsträhnen fuhr.
»Ja! Das hab ich schon öfter gehört. Die Drogendealer schenken das Zeug her, damit man süchtig wird.« Die stille Anna riss die Augen auf und erinnerte Klara an ein aufgeschrecktes Reh.
»Blödsinn. Da war niemand. Also, ich hab zumindest keinen gesehen. Die haben einfach zu viel gesoffen und sind ausgeflippt.« Lucie sah die Sache wie immer pragmatisch.
»Aber komisch ist das schon. Bisher hat’s auf unseren Partys nie was gegeben. Und ich kann mich nur an so manches Bier-Wetttrinken erinnern. Wisst ihr noch? Der Rudi, wie er seinen Strip hingelegt hat – mitten auf der Tanzfläche?«
Vereinzeltes Gelächter bestätigte Mischkos Erinnerungen.
»Da hätte dann doch auch schon früher so etwas passieren müssen, oder?«
Silvie und Sebastian, die wie immer beisammenhockten, nickten zustimmend. »Und der Jonas hat überhaupt noch nie Alkohol angerührt. Und trotzdem hat er letzten Samstag …« Silvie hörte mitten im Satz zu sprechen auf. Klara spürte plötzlich alle Blicke auf sich gerichtet. Wie vorhin im Keller schoss ihr wieder glühende Lava durch die Adern. Hilfe suchend starrte sie Alen an, der neben ihr hockte.
»Ich kenne zwar weder diesen Jonas noch die anderen aus euren Klassen, die an der heutigen Schlägerei beteiligt waren, aber ich glaube nicht, dass Alkohol oder Drogen im Spiel waren. Mein bester Freund wurde auch letzte Woche in so eine Sache verwickelt. Und von dem weiß ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass er weder Alkohol noch Drogen zu sich genommen hat – zumindest nicht freiwillig.« Er schaute dabei von einem zum anderen und blieb schließlich lange genug an Klaras Gesicht hängen, dass ihr noch heißer wurde und sie mit einem Ruck den Kopf zur Seite drehte.
»Wenn kein Alkohol und keine Drogen daran schuld sind, was war es dann, das die Jungs so in Rage gebracht hat?«
Lucies logische Praxisbezogenheit half Klara heute bereits zum zweiten Mal aus einer misslichen Lage. Erleichtert stellte sie fest, dass Lucie mit ihrer Frage die Aufmerksamkeit der anderen auf sich gezogen hatte. Doch mehr als Schulterzucken und hochgezogene Augenbrauen bekam sie nicht zur Antwort, obwohl alle ganz offensichtlich angestrengt nach einer befriedigenden Erklärung suchten.
»Am besten, wir fragen die Hitzköpfe selbst, sobald sie wieder ansprechbar sind.« Mischko hatte als Erster keine Lust mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er gähnte und rieb sich mit den Fäusten über die Augen. »Ich glaub, ich troll mich jetzt nach Hause.« Er schubste Sebastian an, dessen Lider auch nur mehr auf halbmast standen. »Schnapp deine bessere Hälfte und komm mit. Ihr seht beide nicht mehr ganz frisch aus.«
Als wäre ein Startschuss gefallen, machte sich Aufbruchsstimmung breit. Auch Klara fühlte, wie ihre Glieder schwer wurden. »Ich will jetzt endlich mit Jonas sprechen«, murmelte sie, als sie hinter Alen durch das Schultor ins Freie trat.
»Wer ist denn eigentlich Jonas?« Alens Frage kam mit einiger Verzögerung, als sie schon auf halbem Weg zur S-Bahn-Station waren. »Und was hat er letzten Samstag so Schreckliches getan, dass vorhin niemand gewagt hat, es auszusprechen?«
Klara starrte geradeaus vor sich auf den steinigen Gehweg. »Hab ich das noch gar nicht erzählt?« Etwas sträubte sich in ihr, vor Alen über Jonas zu reden. Sie schüttelte den Kopf. »Komisch. Ich dachte, du wüsstest längst davon …« Sie bohrte ihre Fäuste tiefer in die Manteltaschen. »Jonas ist … er geht mit mir in die gleiche Klasse.«
Unwillkürlich beschleunigte sie ihren Schritt. Sie hatte keine Ahnung, warum sie nicht sagen konnte, dass sie und Jonas … zusammen waren. Sie presste die Lippen aufeinander. Waren sie das denn
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