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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Gfrerer
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aufgeregt ist. »Ob sie sich wieder daran erinnert?« Es zieht so stark. In der Brust. Im Bauch. Wie Feuer, das sich nicht festlegt, wo es brennt. Noch mehr als sonst, wenn ich an sie denke.
    Sie haben nur ein einziges Bild. Die anderen kennen sie nicht einmal. Weil ich sie hier versteckt habe. Niemand darf wissen, dass es sie gibt. Nur das eine. Das hab ich dem Matthias geschenkt. Dem Schwachkopf. Er hat mir leidgetan. Ich hätte es wissen können, dass er nichts für sich behalten kann. Er hat so gebettelt. Wie er sie angeschaut hat … Er hätte nicht so schauen sollen. Besser, er hätte den Mund gehalten.
    Er ist schuld, dass wir nicht bleiben konnten.
    Aber ich bin ihm nicht mehr böse. Jetzt nicht mehr. Niemandem kann ich böse sein. Heute schon gar nicht. Wo sie doch endlich weiß, dass es mich gibt. Richtig. Lebendig. Kein Traumbild. »Lebendig, mein Süßer! Ich fühle mich so lebendig!«
    Ist es das, was die Menschen Liebe nennen?
    Papa, ich vermisse dich …

    Ich will nicht, dass der Schwarze Mann zu mir ins Labor kommt. Mir ist es viel lieber, wir sprechen nur am Telefon. Er ist böse. Das kann man sehen. Um ihn herum ist die Luft schlecht. »Du merkst das auch, mein kleiner Schatz, gell? Deswegen verkriechst du dich immer, wenn er kommt. Stimmt’s?« Ich würde mich auch gerne verkriechen. Aber ich darf nicht. Ich bin der Arzt. Der Wissenschaftler. Der neue Boss hier in der Forschungsstation.
    »Die Ergebnisse der letzten Testreihe sind fertig. Es gibt eine leichte Verbesserung der bisherigen Nebenwirkungen, aber noch ist nicht auszuschließen, dass das Immunsystem aufgrund der vollständigen Replikation auch entartete Zellen nicht mehr aus dem System entfernt. Dieser Effekt muss noch ausgeschaltet werden. Wir arbeiten an einer Lösung für dieses Problem.«

    Wir … Papa. Du und ich. Wir waren das Team. Das Zusammenspiel von Fortschritt und Kontrolle. Wie in einem Organismus. Wir haben perfekt funktioniert. Aber sie haben das Gleichgewicht gestört. Weil sie keine Ahnung haben. Ergebnisse! Geld! Macht!
    Wer bin ich ohne dich? Der verrückte Maler? Der geniale Irre? Die Maschine, die Befehle durchführt?
    Du bist raus aus dem Team. Sie haben dich von mir abgeschnitten. Als wärst du ein Tumor. Eine entartete Zelle, die aus dem System entfernt gehört. Ich muss es allein zu Ende bringen.
    Für dich, Papa.
    Für unser Ziel.
    »Bereiten Sie die neuen Patienten vor. Ich muss noch weitere Tests durchführen. Dafür brauche ich eine veränderte Stichprobe. Männliche Probanden, im Alter zwischen zwanzig und dreißig … Wenn in der Klinik nicht genug Material vorhanden ist, müssen Sie sich etwas einfallen lassen. Das ist nicht mein Aufgabengebiet. Sorgen Sie dafür, dass ich die Arbeitsbedingungen habe, die ich für die Fertigstellung meiner Forschungstätigkeit benötige … Ja. Das können Sie exakt so weiterleiten.«

    Die werden es auf den Markt bringen. So oder so. Zu viel Geld. Zu viel Macht. Aber ich bin nicht dafür verantwortlich, dass sie sich dann gegenseitig umbringen. Ich lasse mich nicht zum Schwarzen Mann machen. Nicht von denen. Ich schenke Leben. Ich vernichte es nicht.
    Das habe ich von dir gelernt, Papa.
    Weil ich gut aufgepasst habe.
    Ich bringe es zu Ende.
    Und dann kann ich mich der Welt endlich zeigen.
    Und ihr.
    Du wirst stolz auf mich sein, Papa.
    Und ich bin glücklich.

_ 26 _

    Klara war viel zu aufgeregt, um nach ihrem Besuch in Gugging noch in die Schule zu gehen. Der Bus rumpelte über die Landstraße Richtung Wien. Mit der Stirn gegen die Fensterscheibe gelehnt, schaute sie in die spätherbstliche Landschaft, ohne etwas davon wahrzunehmen.

    Frau Kirally hatte ihr von einer brutalen Schlägerei erzählt, in die der damals siebzehnjährige Lukas verwickelt gewesen sei. Klara war zusammengezuckt. Nicht schon wieder! Das Stichwort startete augenblicklich einen Film in ihrem Hirn, den sie nicht mehr sehen wollte.
    »Der Grund, warum Lukas vor zwölf Jahren auf den armen Matthias losgegangen war, ließ sich im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren. Aber ich bin mir fast sicher, dass es etwas mit dem Porträt zu tun hatte, das Matthias Ihnen vorhin gezeigt hatte.« Die Museumsdirektorin wirkte heute noch zutiefst betroffen. »Lukas war sonst immer liebevoll mit den Leuten hier umgegangen. Er hatte einen richtig guten Draht zu ihnen – auch zu den ganz schwierigen Fällen. Umso erschütternder war dann diese unerklärliche Brutalität … Das hatte wirklich niemand von ihm

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