Infinity (German Edition)
entführt haben, dann … Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Klara presste die Arme um ihren Körper. Ihr Magen rebellierte. »Können wir nicht selbst herausfinden, wer der Besitzer dieses Wagens ist?« Sie hielt Lucie am Arm zurück, die mit großen Schritten der U-Bahn-Station zustrebte.
Lucie drehte sich mit einem Ruck zu ihr. »Das meinst du jetzt aber nicht im Ernst. Ich soll mich in den Polizeicomputer einhacken?« Sie starrte Klara an. »Da könnte ich mich genauso gut mit einer tickenden Bombe im Gepäck zur Flughafenkontrolle begeben. Das hätte die gleiche Wirkung.« Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder zum Gehen. »Wenn die mich erwischen, nehmen die mich hopps. So schnell kannst du gar nicht schauen. Und glaube mir, die erwischen jeden. Eine besser kontrollierte Datenbank als die der Polizei gibt es nicht.«
Stumm lief Klara in einigem Abstand hinter Lucie her. Sie mussten doch etwas tun! Sie konnten Alen doch nicht kampflos diesen Verbrechern überlassen. Das wäre sein sicherer Tod, davon war sie inzwischen überzeugt. Zornig trat sie mit dem Fuß gegen eine leere Getränkedose, die jemand achtlos auf den Gehweg geworfen hatte.
In ihrer Hosentasche meldete sich Mozart. Tam – tadam … Klara verharrte mitten in der Bewegung. … tadi – tadi – tadam … spielte die Melodie unbeirrt weiter.
»Willst du das Gespräch nicht annehmen?«
Lucies rauer Ton löste Klaras Erstarrung. Hektisch fingerte sie in der Tasche herum, bis sie endlich das Handy zu fassen bekam. »Hallo?« Sie keuchte, als wäre sie kilometerweit gelaufen. Hoffentlich war sie nicht zu spät!
Eine dunkle Stimme meldete sich.
»Alen?!«
Sie schielte aufs Display. Die Nummer war ihr fremd. »Wer spricht? Alen? Bist du das?« Ihre Stimme war unerträglich laut und hoch, aber Klara bekam sie nicht in den Griff.
Im nächsten Moment hielt sie die flache Hand vor das Mikrofon und riss die Augen auf. »Alens Vater«, wisperte sie Lucie zu. Ihre Hand zitterte.
»Was will er? Wie kommt der zu deiner Nummer?« Lucie schnappte nach Luft, doch Klara schüttelte nur den Kopf und legte den Zeigefinger auf die Lippen.
»Die haben meinen Sohn!«, dröhnte die Stimme an ihr Ohr und Klara versuchte, sich vorzustellen, wie Alens Vater aussehen könnte. Doch alles, was ihr in den Sinn kam, war Alens Strahlerlächeln. Sie gab es auf und konzentrierte sich stattdessen auf das, was er sagte.
»Klara – ich darf doch Klara sagen?«
Sie nickte, obwohl ihr bewusst war, dass er das nicht sehen konnte. Doch sie brachte keinen Ton heraus. Die Frage war aber offensichtlich ohnehin nur rhetorisch gewesen, denn Alens Vater sprach weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten.
»Alen hat mir von dir erzählt. Und von der Liste, die ihr … gefunden habt.« Er lachte und Klara lief ein Schauer über den Rücken. Wie konnten die Stimmen von zwei verschiedenen Menschen nur so identisch sein?
»Deswegen habe ich mir deine Nummer besorgen lassen, als ich von Alens Entführung erfuhr. Wenn mein Eindruck mich nicht trügt, verfolgen wir in dieser Beziehung ähnliche Interessen.«
Jetzt, nachdem er länger gesprochen hatte, konnte Klara einen Akzent hören, den Alen nicht hatte. Hätte sie noch Zweifel gehabt, wer da am anderen Ende der Leitung sein könnte, so waren die nun endgültig beseitigt. Auch wenn Alen es bestimmt nicht gerne gehört hätte – sein Vater hatte nicht nur den gleichen Tonfall wie er, er drückte sich auch ebenso gewählt aus.
»Seit einigen Wochen beobachten wir mit Besorgnis, dass vermehrt illegale Einwanderer aus der Abschiebehaft spurlos verschwinden. Unsere Organisation unterstützt die Asylbewerber. Wir stellen Quartiere zu Verfügung, helfen mit Rechtsberatung und bei den nötigen Amtswegen.«
Klara stieß scharf den Atem aus. Aus reiner Menschlichkeit taten sie das bestimmt nicht. Viel wahrscheinlicher war, dass es sich bei den Leuten um eingeschleuste Drogenkuriere handelte. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht laut zu sagen, was sie dachte. Aber ihre Schritte hallten zornig über den Bahnsteig, den sie und Lucie inzwischen erreicht hatten.
»Nicht einmal unsere Anwälte können verhindern, dass in letzter Zeit immer häufiger sofortige Abschiebungen angeblich unumgänglich sind. Die Ausgewiesenen tauchen aber auch in ihren Ursprungsländern nicht wieder auf. Wo auch immer wir nachfragen, stehen wir vor einer Mauer des Schweigens.«
Klara räusperte sich. Sie hatte keine Lust mehr auf die Selbstdarstellung dieses Mannes,
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