Infinity (German Edition)
hinüber, der weiterhin reglos dasaß und aus dem Fenster starrte. »Eigentlich gibt’s nicht viel zu erzählen. War nicht gerade überschäumend, seine Wiedersehensfreude. Im Grunde hätte ich mir die Mühe sparen können, so wortkarg wie er war.«
Klara zog das blaue Babybuch hervor und legte es Alen in den Schoß. »Vielleicht war er ja auch nur von deinem plötzlichen Auftauchen überrascht. Ich würde das hier als ein Versöhnungsangebot werten.« Sie lächelte über sein überraschtes Gesicht. »Sieht so aus, als wäre er selbst mit eurem Zusammentreffen nicht ganz zufrieden gewesen.« Sie schloss seine Finger um die Kartonkante. »Mir gefällt das als Erklärung zumindest am besten.«
Auch Lucie reckte neugierig den Hals, und wie sie so die Köpfe zusammensteckten und über die drolligen Babyfotos kicherten, vergaß Klara kurz, dass ihre Situation alles andere als zum Lachen war. Erst Lucies Frage riss sie unsanft aus der heilen Welt, in die sie sich geflüchtet hatte.
»Hast du deinem Vater gar keine Infos über eine mögliche neue Droge entlocken können?«
Alen ließ das Album auf die Knie sinken und zuckte mit den Schultern. »Zumindest hat er behauptet, nichts davon gehört zu haben. Aber warum sollte ich ihm glauben? Selbst wenn er diese verdammten persönlichkeitsverändernden Mittel höchstpersönlich auf den Markt gebracht hätte, würde er mir das bestimmt nicht auf die Nase binden.«
»Eine Droge ist schuld an den Aggressionen?«
Aus Lukas’ blassem Gesicht war alle Teilnahmslosigkeit gewichen.
»Wenn das wahr ist, wäre mein Vater gerettet!« Obwohl er so leise sprach, dass er kaum den Fahrtlärm übertönte, hörte Klara die Hoffnung, die seine Worte trug.
»Hä? Wieso? Was meint er?« Lucie kniff die Augen zusammen und deutete mit dem Daumen über ihre Schulter auf die schmale Silhouette, die mit dem erleuchteten Fenster zu einer Einheit zu verschwimmen schien.
»Wenn Drogen und nicht die Genmanipulation die Aggressionen auslösen, dann kann die Impfung auf den Markt gebracht werden und es gibt für SanaLife keinen Grund mehr, seinen Vater als Geisel zu halten.« Klara wurde von Lukas’ Blick magnetisch angezogen. In seinen Augen tanzten Lichtpunkte.
»Nicht unser Programm ist fehlerhaft, sondern die Störung kommt von außerhalb!« Zittrig fuhr er sich über die Augen und hielt sie für einen Moment bedeckt. »Papa … wir sind am Ziel! Wir haben es geschafft! Frei … endlich frei …«
Was er sagte, war kaum zu verstehen. Seine Handflächen schirmten den Schall fast vollständig ab. Trotzdem konnte Klara keinen Blick von ihm lassen. Weinte er? Sie fixierte die glitzernden Reflexe zwischen seinen Fingern. Als er die Hände wegnahm, traf sie sein Blick wie ein Hammerschlag.
In seinen Augen lag ein ganzes Universum an Liebe.
_ 37 _
»Mein Güte … Jonas!« Klara krallte ihre Finger in Alens Unterarm. »Wenn da so ein Irrer Jagd auf alle Teilnehmer dieses Forschungsprojekts macht, dann ist Jonas doch in höchster Gefahr!« Sie suchte Lukas’ Blick. »Ist es aufgefallen, dass wir die Explosion überlebt haben?«
Lukas schien in sich hineinzuhorchen. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Es herrschte ein heilloses Durcheinander … dazu der Nebel … und glücklicherweise waren die beiden gerade zur rechten Zeit wieder klar im Kopf.« Er nickte Alen und Lucie zu, die nach Luft schnappte und so etwas Ähnliches wie Sollten wir jetzt dankbar sein, oder wie? vor sich hin murmelte, was allerdings unbeantwortet blieb. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass euch jemand gesehen hat.«
»Aber die Leute aus der Klinik werden bestimmt nach dir suchen! Dass du nicht mehr da bist, muss ihnen doch auffallen.« Alen knetete seine Finger. »Und um von dir auf uns zu kommen, dazu muss man kein Sherlock Holmes sein …«
Lukas schüttelte den Kopf. Ein schmales Lächeln spielte um seine Lippen. »Niemand wird mich suchen. Sie werden denken, dass ich mich endlich ihrem Willen gebeugt habe.«
»Was soll das heißen?« Klara starrte ihn mit hochgezogenen Brauen an. Auch Lucie und Alen runzelten irritiert die Stirn.
»Seit Wochen war für den zweiten November die Präsentation des neuen Impfstoffs terminiert. Sie haben sogar schon ein Hotelzimmer in Wien für mich reserviert. Ich hatte mich bisher geweigert, das Produkt freizugeben. Solange ich nicht wusste, woher die psychischen Veränderungen kamen …« Er massierte mit den Fingerspitzen seine Schläfen.
Klara bemerkte einen feuchten Film
Weitere Kostenlose Bücher