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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Gfrerer
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Ruck auf. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, als wollte es aus einem Zwinger ausbrechen. Sie presste ihre Handballen gegen Stirn und Augenhöhlen, bis bunte Kreise durch das Schwarz tanzten. Ivos leise Stimme mischte sich mit den Bildern in ihrem Kopf.
    »Ich war mit meiner Klasse im Haus des Meeres. Als wir vor dem Terrarium standen, hörte ich ein Knirschen, wie wenn Glas einen Riss bekommt. Doch niemand außer mir schien etwas zu bemerken. Der Sprung in der Scheibe wurde größer. Ich sah sie kommen. Ich wollte rufen, die anderen warnen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Langsam schoben sich die glänzenden Leiber durch die Öffnung. Einer nach dem anderen wurde von den Schlangen eingewickelt, bis nichts mehr von ihnen zu sehen war. Mich ignorierten sie, als wäre ich unsichtbar. Kennst du das? Wenn man im Traum wegrennen will und die Beine sind auf einmal tonnenschwer? Und du steckst fest wie in einer zähen klebrigen Masse? Genau so war das! Ich wollte schreien, wollte raus, aber ich war wie gelähmt. Ich musste mitansehen, wie alle meine Freunde zwischen den schuppigen Windungen erdrückt wurden. Dann glitten die Schlangen in ihre Käfige zurück. Und anstelle meiner Freunde krümmten und ringelten sich unzählige neue Schlangenleiber auf dem Boden.«
    Marijana streichelte über seinen Rücken. Ihre Hand war feucht. Ihr Kopf dröhnte. Wie konnte das sein?
    »Hab ich dir davon erzählt, dass wir tatsächlich vor einigen Tagen mit der Schule das Haus des Meeres besucht haben? Ich habe es nicht geschafft, auch nur einen Schritt hineinzugehen. Ich konnte nicht! Allein die Vorstellung, wie sich die Schlangenleiber langsam durch das Laub schieben ... Wäähhh! Ich hab echt keine Luft gekriegt!«
    Ivo riss die Augen auf. Langsam schüttelte er den Kopf.
    »Nein. Hast du nicht! Voll arg! Und alle haben sich das Maul zerrissen, was?« Er drückte Marijanas Hand.
    Sie schaute Ivo ernst ins Gesicht. »Ich hab echt Angst, dass du deshalb diese schlimmen Albträume hast, weil ich dich mit meiner Schlangen-Hysterie verrückt mache. Ich habe alles über Schlangen gelesen, was ich im Internet finden konnte. In Österreich gibt’s eine einzige giftige – und die findet in einer Großstadt wie Wien mit Sicherheit nicht den passenden Lebensraum vor. Lass dich von meiner Panik nicht anstecken.« Sie strubbelte Ivo durchs Haar und versuchte ein Lächeln.
    »Magst du noch was?« Sie fischte nach dem letzten Rest der Schokotafel und brach ihn in zwei Hälften. »Damit geht es uns bestimmt gleich besser.« Aufmunternd nickte sie Ivo zu, bevor sie ihren Teil im Mund verschwinden ließ.
    Sie wollte gerade das Programm beenden und den Computer herunterfahren, als ihr Blick von einem Schlagwort aus der Stichwortliste gefangen genommen wurde: »Reinhaltung der weißen Rasse «.
    Mit einer Mischung aus Abscheu und Neugierde klickte sie den Link an. Eine Gruppe, die sich Kinder Wotans nannte, rief zu einer Infoveranstaltung auf:

    »Unser Wien ist von diesem Ausländerabschaum in Geiselhaft genommen! In manchen Bezirken hört man auf der Straße kein deutsches Wort mehr! Unsere Kinder müssen in Schulen gehen, in denen sie zwischen Alis, Bimbos und Tschuschen sitzen und ihre Muttersprache verlernen! Wer von diesen Zuständen die Nase voll hat, soll zu unserem Vortrag kommen! Wien wird wieder den Wienern gehören!«

    Marijana atmete hörbar ein. »Das muss ich Alma zeigen, die wird ausflippen.« Das Knirschen ihrer Zähne klang bedrohlich. Als Ivo sich zum Laptop beugte, um zu sehen, was Marijana in solche Aufruhr versetzte, hätte sie ihn beinahe weggestoßen. Noch einmal zog sie die Luft durch die Nase hoch und presste die Knie gegen ihre Brust.
    »Seit 14 Jahren lebe ich schon hier! Am Telefon würde niemand erkennen, dass ich nicht in Österreich geboren wurde.«
    Jetzt zitterte ihre Stimme, obwohl sie sich dagegen wehrte.
    »Ich spreche besser Deutsch als diese gehirnfreien Glatzköpfe, die meinen, sie wären was Besseres, nur weil sie zufällig in Wien auf die Welt gekommen sind.« Ihre Wangen glühten.
    Ivo griff nach einer ihrer schwarzen Haarsträhnen und drehte sie um den Finger. Er schüttelte den Kopf. »Das sind einfach Idioten«, sagte er leise, als spräche er mit sich selbst. »Und ich wette, die meisten sind selbst nicht blond.« Er schnaubte durch die Nase. »Das ist wahrscheinlich der Grund für ihre praktische Einheitsfrisur.«
    Er lachte so plötzlich, dass Marijana überrascht den Kopf hob und ihn mit gerunzelter

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