Infiziert
gefunden, wo sich auch seine Alma Mater befand. Er hatte sich bereits während der Collegezeit in die Stadt verliebt. Weil er aus dem kleinen Ort Cheboygan stammte, misstraute er Großstädten und fühlte sich in einer Megalopolis wie Chicago oder New York unwohl. Gleichzeitig war er der sprichwörtliche Bauernjunge, der die Lichter einer größeren Welt gesehen hatte und nun nicht mehr in das kleinstädtische Leben zurückkehren konnte, das keinerlei Kultur und Vergnügen zu bieten schien. Ann Arbor jedoch war eine Collegestadt von 110 000 Einwohnern, die sich die gemütliche Wärme einer
Kleinstadt bewahrt hatte und ihm das Beste aus beiden Welten bot.
Er legte seine Schlüssel und das Handy auf den Küchentisch, warf seine Aktenmappe und die schwere Jacke auf die alte, abgewetzte Couch, zog die Walgreens-Tüte aus seiner Tasche und ging ins Bad. Der Ausschlag fühlte sich an, als hätte jemand sieben glühend heiße Elektroden auf seiner Haut befestigt und mit einer Zehntausend-Watt-Stromleitung verbunden.
Um den Ausschlag würde er sich gleich kümmern, doch das Wichtigste kam zuerst. Der Pickel über seiner Augenbraue musste verschwinden. Er stellte die Tüte ab, öffnete das Medizinschränkchen und holte eine Pinzette heraus. Wie immer schnippte er mit dem Finger dagegen, sodass die Pinzette vibrierte wie eine Stimmgabel. Dann beugte er sich dicht an den Spiegel heran. Natürlich war der merkwürdige Pickel immer noch da, und noch immer schmerzte er. Er hatte einmal gesehen, wie Bill einen Pickel ausdrückte. Das Ganze hatte etwa zwanzig Minuten gedauert. Bill war methodisch vorgegangen und ein wenig zimperlich, also ging das in Ordnung. Perry kam mit Schmerzen besser und mit allem, was Geduld erforderte, schlechter zurecht. Er holte tief Luft, setzte die Pinzette an der kleinen, verschrumpelten roten Erhebung an und riss. Das kleine Stückchen Fleisch löste sich, und heißer, süßer Schmerz erfüllte ihn. Blut rann ihm über das Gesicht. Wieder holte er tief Luft, riss ein Stück Klopapier ab und drückte es gegen die neue Wunde. Mit der freien Hand hob er die Pinzette hoch. Nichts weiter als ein kleiner Streifen Fleisch. Doch das in der Mitte – war das ein Haar? Es sah überhaupt nicht schwarz aus. Es war blau. Ein tiefes, schillerndes Dunkelblau.
»Verdammt merkwürdig.« Er hielt die Pinzette unter heißes Wasser und spülte den seltsamen Pickel weg. Dann griff er nach den Pflastern im Medizinschränkchen. Es waren nur noch vier übrig. Er zog das Papier von einem der Pflaster und klebte es über den kleinen, blutigen Fleck, an dem sich gerade noch dieses Pickel-Ding befunden hatte. Das war der leichte Teil. Jede zimperliche Schwuchtel konnte diesen Schmerz ertragen. Aber das Jucken war eine ganz andere Geschichte.
Perry zog die Hose herunter, setzte sich auf die Toilette und nahm das Cortaid aus der weißen Tüte. Er drückte sich eine großzügig bemessene Portion in seine Hand und rieb die Salbe über die gelbliche Schwellung auf seinem linken Oberschenkel.
Er bereute es sofort.
Durch den direkten Kontakt fing die Schwellung an, intensiv und höchst schmerzvoll zu jucken. Es war, als hätte ihn jemand mit der weiß glühenden Flamme eines Lötkolbens berührt und seine Haut fiele in brennenden Tropfen zu Boden. Er rutschte auf dem Toilettensitz hin und her und hätte beinahe aufgeschrien. Nach ein, zwei Sekunden jedoch hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er atmete tief ein und versuchte, sich zu entspannen.
Der Schmerz ließ fast so schnell nach, wie er gekommen war, und verschwand schließlich ganz. Perry lächelte über seinen kleinen Sieg und rieb die Salbe vorsichtig in die Schwellung und die umgebende Haut ein.
Fast hätte er vor Erleichterung gelacht. Mit noch größerer Vorsicht trug er das Cortaid auf den anderen Schwellungen auf. Als er fertig war, waren alle sieben verstummt.
»Die Großartigen Sieben«, murmelte Perry. »Im Augenblick seid ihr wohl doch nicht so großartig, oder?«
Nachdem er das Jucken an allen sieben Stellen zum Schweigen gebracht hatte, war ihm schwindelig, und am liebsten hätte er ein Freudengeheul angestimmt. Vor allem aber war er müde. Das wahnsinnig machende Jucken hatte ihn unter Dauerstress gesetzt. Nachdem dieser Stress plötzlich weg war, fühlte er sich wie ein Schoner, dessen Segel im ersterbenden Wind schlaff wurden.
Perry zog sich bis auf die Unterwäsche aus, ließ die Kleider im Bad liegen und ging in sein kleines Schlafzimmer. Sein
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