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Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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den Spiegel, während es langsam nach unten glitt.
    Das Ding war in mir! Das Ding hat gelebt! Und es lebt NOCH!
    Instinktiv schlug Perry mit voller Wucht gegen den Spiegel, und seine mächtige Hand prallte mit einem lauten Knall auf das Glas. Die zuckende Wucherung platzte auf, als hätte er ein weich gekochtes Ei zertrümmert. Dünne Streifen einer purpurfarbenen, gelartigen Flüssigkeit spritzten über den Spiegel. Perry riss die Hand zurück. Streifen weißen, jetzt schlaffen und weichen Fleisches und dicke Tropfen des purpurnen Schleims bedeckten seine Handfläche. Angewidert verzog er die Lippen und drehte sich rasch um, um nach dem Handtuch zu greifen, das über dem Duschvorhang hing – doch er war zu schnell. Durch die plötzliche Bewegung verhedderte er sich in der Hose, die ihm immer noch um die Knöchel hing. Er verlor die Balance und fiel nach vorn.
    Er hob die Hände, um seinen Sturz abzufedern, doch es gab nichts, wonach er hätte greifen können, und so krachte er mit der Stirn gegen die Toilettenschüssel. Ein scharfes
Knacken wurde von den Wänden des kleinen Badezimmers zurückgeworfen, doch Perry hatte bereits das Bewusstsein verloren, bevor er das Geräusch hören konnte.

23
Parasitologie
    Martin Brewbaker gab es nicht mehr. Am Mittwoch, weniger als drei volle Tage, nachdem er erschossen worden war, war nichts mehr von ihm übrig als ein wie von Pockennarben übersätes Skelett, bei dem von den Knien abwärts die Beine fehlten. Und dazu noch jene hauchdünnen Lagen Schimmel, von denen einzelne Flecken nicht nur auf dem Skelett und auf dem Untersuchungstisch, sondern überall im BSL-4-Zelt wuchsen. Sogar Brewbakers krallenartige Hand war schließlich erschlafft. Sie lag flach auf dem Tisch, während die Finger zu einem chaotischen Knochenhaufen zerfielen. Kameras im Inneren des Zeltes lieferten Aufnahmen – sowohl als Film wie auch als Fotos –, anhand derer Margaret die letzten Stadien des Zerfalls der Leiche beobachten konnte.
    Seit ihrer Kindheit, als sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion einen potenziell tödlichen Wettbewerb im Weitpinkeln geliefert hatten, hatte sie nie wieder eine so düstere Vorahnung empfunden. Die Versicherung gegenseitiger Auslöschung, die Aussicht, dass jeder Konflikt in kürzester Zeit zu einem unbegrenzten Atomkrieg eskalieren konnte. Tot. Aus. Erledigt.

    Sie war damals zwar noch ein junges Mädchen gewesen, doch sie war klug genug, um zu begreifen, welche Katastrophe gedroht hatte. Es war wirklich ein Witz, dass ihre Eltern damals geglaubt hatten, sie verstünde alles nur aufgrund ihrer großen Intelligenz, als begriffe nur ein begabtes Kind, was es mit der unmittelbaren Bedrohung durch einen Atomkrieg auf sich hatte. Doch wie wahrscheinlich zu allen Zeiten hatten Erwachsene in jenen Jahren und in den Jahren danach die Unschuld ihrer Kinder mit Ignoranz verwechselt.
    Margaret hatte genau gewusst, was vor sich gegangen war, und das galt auch für die meisten ihrer Klassenkameraden. Sie alle wussten, dass man vor den Kommunisten Angst haben musste und dass diese etwas viel Konkreteres waren als das Monster unter dem Bett. Sie wussten, dass Manhattan, ihr Zuhause, einer der ersten Orte wäre, die zerstört würden.
    Warum glaubten die Leute nur, dass es für ein Kind viel zu schwierig war, sich das Ende der Welt vorzustellen? Jeder bringt einen großen Teil seiner Kindheit mit der Angst vor dem Unbekannten zu, der Angst vor kriechenden Schatten und lauernden Ungeheuern und Dingen, die einen langsamen, hässlichen und qualvollen Tod versprechen. Ein Atomkrieg war nur ein weiteres Schreckgespenst, das drohte, sie alle zu vernichten. Doch dieses Schreckgespenst machte auch ihren Eltern und allen anderen Erwachsenen Angst, und die Kinder waren ebenso empfänglich für die Frequenz, auf der sich diese Angst mitteilte, wie für diejenige, auf der Bugs Bunny lief.
    Vor einem Ungeheuer konnte man fliehen, vor dem Schwarzen Mann konnte man sich verstecken, doch der Atomkrieg war real. Er konnte jeden Augenblick ausbrechen.
Es lag nicht in ihrer Hand. Vielleicht, während sie in der Pause auf dem Schulhof war. Vielleicht, wenn sie sich zum Abendessen an den Tisch setzte. Vielleicht, nachdem sie ins Bett gegangen war.
    Müde bin ich, geh zur Ruh, mache meine Augen zu. Und meine Seele vertraue ich Gott an, und wenn ich sterben sollte, dann bitte ich Gott, dass er sich meiner Seele annimmt.
    Das war in jenen Tagen nicht nur irgendein abstraktes Gebet. Es war eine

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