Infiziert
wie einen Gefangenen, sodass sie ihn dabei beobachten konnten, wie er starb. Oder vielleicht würden sie ihn sogar selbst umbringen und ihn sezieren wie ein Versuchstier.
Das war die einzige Möglichkeit, die sinnvoll klang, denn sonst hätte er schon irgendwo von dieser Sache gehört. Hinter der ganzen Sache verbarg sich mehr, viel mehr. Das war nicht nur eine simple Krankheit. Er war ebenso unausweichlich dazu ausersehen worden zu sterben, als befände er sich in einem Konzentrationslager der Nazis und als handelte es sich bei den Dreiecken um einen Davidstern, den man auf seine Kleider genäht hatte.
Aber wenn er nicht in die Klinik gehen konnte, was sollte er dann tun? Was, zum Teufel, konnte er dann tun?
Langsam grub die Angst ihre Klauen in sein Bewusstsein, drückte ihm den Atem ab und ließ seinen mächtigen Körper ebenso schaudern wie die beißende Kälte.
»Ich brauche etwas zu trinken«, flüsterte Perry. »Und ein klein wenig Zeit, um über alles nachzudenken.«
Er machte kehrt und fuhr immer weiter. Er hielt erst wieder vor dem Washtenaw Party Store. Dieses eine Mal war das Münztelefon nicht besetzt. Er sprach mit niemandem, sah niemanden an, erledigte seinen Einkauf und ging wieder.
34
Ein Schlückchen Turkey
Mit zwei Flaschen Wild Turkey in der Hand stolperte Perry zurück in seine Wohnung; die eine war noch voll, die andere war bereits halb leer. Die Bereitschaft, gewalttätig zu werden, stand ihm ebenso deutlich lesbar ins Gesicht geschrieben, wie das Maß an potenzieller Energie offensichtlich ist, die ein Safe besitzt, der fünfzehn Stockwerke über einer belebten Straße hängt.
Freitagabend, und es war Zeit für eine Party.
Mit ruhiger Hand stellte Perry die beiden Flaschen auf den Küchentisch und ging ins Bad. Auf dem Fußboden klebte nicht nur Erbrochenes, sondern auch getrocknetes Blut.
Er sah, dass noch mehr als sieben Zentimeter Wasser in der Wanne standen, die nur vom gelegentlichen Plink! eines Wassertropfens aus dem Duschkopf aufgerührt wurden. Fetzen der dicken Orangenschale verstopften den Abfluss. Kleinere Teile trieben auf der schmierig-seifigen Wasseroberfläche. Er hörte ein schwaches Tröpfeln des Wassers, das von der widerwärtigen Verstopfung gefiltert wurde und dem es gelang, den Abfluss zu passieren.
Als er geduscht hatte, hatte er nicht einmal daran gedacht. Anscheinend löste sich die orangenartige Haut ganz von selbst. Mit der freien Hand berührte er vorsichtig sein Schlüsselbein, wobei seine Finger den Rand des ein wenig zu festen Dreiecks entlangfuhren. Es fühlte sich ausgeprägter an, die Kanten ließen sich ein bisschen besser ertasten. Auch die blaue Farbe war ausgeprägter. Sie wirkte zwar immer
noch schwach, doch inzwischen war sie so deutlich sichtbar wie die Farbe einer verblassten Tätowierung.
Er ging zurück in die Küche und zog eine Gabel und ein Messer aus dem Messerblock, wobei sein Blick erneut an der Geflügelschere mit den dicken Griffen und den dicken Klingen hängen blieb. Er war im Begriff zu sterben. Es gab noch so vieles, was er hätte tun, so vieles, was er hätte erleben können. Er würde niemals Deutschland sehen, nie zum Hochseeangeln fahren, nie Alamo und all die anderen historischen Stätten Amerikas besuchen. Er würde nie heiraten. Würde nie Kinder haben.
Nicht alles war schlecht. Er hatte ein erfülltes Leben gehabt. Er war als Erster aus seiner Familie aufs College gegangen. Er hatte in der Division I Football gespielt, war auf ESPN zu sehen gewesen, hatte seinen Kindheitstraum verwirklicht und war ein Wolverine geworden, der vor 112000 kreischenden Fans im Big House gespielt hatte. Aber vor allem war er dem gewalttätigen Leben seines Vaters entkommen. Er hatte seine Umgebung hinter sich gelassen, er hatte sein Erbe hinter sich gelassen, er hatte sich mit Zähnen und Klauen einen Weg in die Respektabilität erkämpft.
Aber wozu? Zu gar nichts. Zu nichts anderem.
Er setzte sich an den Küchentisch, legte das Messer auf die Tischplatte und nahm einen langen Zug aus der halb leeren Whiskeyflasche. Der Whiskey schmeckte schrecklich und brannte ihm in der Kehle, doch er nahm es kaum wahr. Er schluckte die Flüssigkeit hinunter, als handle es sich um Wasser. Der Wild Turkey stieg ihm bereits zu Kopf. Als er die Flasche geleert hatte, wusste er, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Dass er hinüber war. Vollkommen am Arsch.
Er würde keine Schmerzen spüren.
Tränen der Verzweiflung stiegen ihm in die
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