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Infiziert

Infiziert

Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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handle es sich um eine »neue Entwicklung«. Und irgendwie würden sie versuchen, intelligent zu klingen, obwohl sie über die Krankheit so viel wussten wie der Papst über die Herstellung von Hardcore-Pornos. Ärzte waren so. Sie wollten immer klug und weise erscheinen und nie ihre Fassade der Kompetenz verlieren.
    Er fuhr langsamer, um nach rechts in die Observatory Street abzubiegen, doch er musste warten, bis einige Fußgänger die von Schneematsch bedeckte Straße überquert hatten. Er war jetzt auf dem Campus, und die Studenten der University of Michigan waren berühmt für ihre nachlässige
Haltung gegenüber Autos. Selbst an belebten Straßen schlenderten sie träge über die Kreuzungen, unsterblich in ihrer Jugend und voller Vertrauen darauf, dass für sie alle Fahrzeuge das Tempo drosseln würden. Es waren Collegestudenten, und für die meisten von ihnen war die Vorstellung, dass sie möglicherweise einen schnellen, unfairen Tod sterben konnten, vollkommen abwegig.
    »Euer Tag wird noch kommen«, sagte Perry zu dem dichten Pulk Rucksäcke tragender Studenten, die sich an seinem Wagen vorbeischoben. »Meiner ist schon gekommen, so sicher wie die Hölle.« Schließlich bog er in die Observatory ein. Jetzt war er nur noch wenige Blocks vom medizinischen Zentrum entfernt.
    Perry fiel ein, dass er seine Chefin noch immer nicht angerufen hatte. Aber was würde sich ändern, wenn er anrief? Seine engagierte Arbeit über drei Jahre hinweg war ihm im Augenblick nicht gerade von Nutzen. Er war kein einziges Mal zu spät gekommen – aber würde ihm das helfen zu überleben?
    »Scheiß auf sie alle«, sagte Perry leise. Seine Arbeitskollegen würden in den Nachrichten schon noch früh genug davon hören. »Mann aus Michigan stirbt an unbekannter Krankheit, die nach seinem Arzt benannt wurde, der immer noch höchst lebendig ist und auf seiner Vortragsreise verdammt reich wird. Ausführlicher Bericht um elf.«
    Er hielt an einer roten Ampel an der Geddes. Gleich rechts lag der East Medical Center Drive. Schneeflocken tanzten wie Wattebäusche auf dem an- und abschwellenden Wind. Eine Sekunde lang hingen sie regungslos in der Luft, und schon in der nächsten schossen sie umher wie auf einer immateriellen Achterbahn. Verzweiflung schien seinen
Kopf noch dichter auszufüllen als sein eigenes Gehirn. In den Autos um ihn herum saßen lauter normale Menschen. Sie hatten keine Ahnung davon, dass die Krankheit Perrys Körper von innen nach außen krempelte. Beschissen normale Menschen.
    Aber … aber waren sie wirklich normal? Wie wollte er wissen, dass sie nicht unter genau derselben Krankheit litten? Vielleicht saßen sie in ihren Autos und kämpften gegen das Jucken an, kämpften gegen den Drang an, sich zu kratzen, bis ihre Fingernägel blutig waren. Wie wollte er wissen, dass die Leute um ihn herum normal und nicht infiziert waren?
    Schlagartig und mit aller Deutlichkeit wurde ihm klar, wie höchst unwahrscheinlich es war, dass er der erste Mensch mit dieser Krankheit sein sollte. Und wenn er nicht der erste war, dann stellte sich eine höchst beunruhigende Frage: Warum hatte er noch nie von dieser Sache gehört?
    Hinter ihm erklang eine Hupe und riss ihn aus seinen Überlegungen. Die Ampel war grün. Sein Kopf ertrank in einem Meer seltsamer Fragen, und mit rasendem Herzen fuhr er über die Kreuzung und dann an den Straßenrand. Zu seiner Rechten lag ein schneebedeckter Friedhof. Wie überaus passend. Der Verkehr rollte an ihm vorüber, Menschen, die vielleicht oder vielleicht auch nicht normal waren und sich um ihre Angelegenheiten kümmerten. Er packte das Steuer mit festem Griff, sodass seine Hände nicht mehr zitterten.
    Warum hatte er noch nie von dieser Sache gehört?
    Um der Liebe Gottes willen, mehrere beschissene blaue Dreiecke wuchsen unter seiner Haut. Die Krankheit war so ungewöhnlich, dass die Medien schon längst darüber hätten berichten müssen, oder etwa nicht? Natürlich hätten sie darüber berichtet. Es sei denn … es sei denn, Menschen mit
dieser Krankheit gingen in eine Klinik hinein, kamen aber nicht mehr heraus.
    Perry saß vollkommen regungslos da und starrte durch die Windschutzscheibe auf einen Schnapsladen, während die Kälte in den Wagen drang und die künstliche Hitze verdrängte. Was wäre, wenn die Klinik auf Leute wie ihn nur gewartet hatte? Vielleicht würden sie nicht einmal versuchen, ihm zu helfen. Vielleicht würden sie die Dreiecke einfach nur untersuchen und ihn wegschließen

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