Inka Gold
Vorsicht kam er jetzt nicht mehr weiter. Er mußte sofort losrennen. Er bückte sich, massierte kurz seinen verletzten Knöchel, der ihm immer mehr Schwierigkeiten machte. Er schmerzte nur wenig, wurde aber allmählich gefühllos und schwoll an. Wenn er sich retten wollte, durfte er keine Zeit mehr verlieren. Er beugte sich vor wie ein Sprinter und raste los.
Die Rotoren peitschten den Staub vom Boden auf, als Giordino den alten Hip-C leicht anlupfte und über dem Boden schweben ließ. Rasch überblickte er das Instrumentenbrett, ob irgendwelche roten Lämpchen aufleuchteten, und achtete auf seltsame Geräusche oder merkwürdige Vibrationen. Alles schien in Ordnung, wenn man einmal davon absah, daß das Fluggerät dringend überholt werden mußte und die Motoren reichlich matt waren. Aber sie reagierten bereitwillig, als er die Schnauze etwas nach unten drückte und mehr Saft gab.
Vom Transportraum aus sahen die Studenten und Rodgers, wie Pitt auf die offene Heckluke zugestürzt kam. Die Anfeuerungsrufe, die sie ihm zubrüllten, während er über den weichen Boden sprintete, wurden auf einmal drängend, als ein Sargente zufällig den Blick von dem Kampfgeschehen abwandte und sah, wie Pitt hinter dem aufs teigenden Helikopter herrannte.
Augenblicklich rief er den Männern der Reserveabteilung etwas zu, die noch immer auf den Befehl zum Vorrücken über die Treppe warteten.
Die Rufe des Sargente – es waren beinahe Schreie – übertönten den Widerhall des Gewehrfeuers auf der Spitze des Tempels.
»Sie entkommen! Schießt, in Christi Namen, erschießt sie!«
Doch die Truppen reagierten nicht auf den Befehl. Der andere Hubschrauber stand genau im Schußfeld, und wenn sie auf Pitt feuerten, würden sie ihr eigenes Fluggerät durchsieben. Sie zögerten, unsicher, ob sie den Befehlen des aufgeregten Sargente Folge leisten sollten. Nur ein Mann hob sein Gewehr und feuerte.
Pitt achtete nicht auf die Kugel, die ihn am rechten Oberschenkel streifte. Er hatte keine Zeit, Schmerz zu empfinden. Und dann war er unter dem Rumpf, und Rodgers und die peruanischen Studenten legten sich auf den Bauch, beugten sich hinaus und streckten ihm durch die offene Klapptür die Hände entgegen. Der Hubschrauber erbebte, als er in den Abwind der eigenen Rotoren geriet, und sackte zurück. Pitt streckte die Arme aus und sprang. Giordino legte den Helikopter in eine scharfe Kurve, so daß die Rotorblätter den Baumwipfeln gefährlich nahe kamen. Eine Kugel durchschlug das Seitenfenster und übersäte das Cockpit mit einem Schauer silbriger Splitter. Er trug eine Schnittwunde an der Nase davon.
Eine weitere Kugel blieb im Rahmen der Sitzlehne stecken. Sie hatte seine Wirbelsäule nur um Haaresbreite verfehlt. Der Helikopter steckte noch etliche Schüsse ein, bevor Giordino ihn über eine Baumgruppe zog und auf der anderen Seite, außer Schußweite der peruanischen Sturmtruppen, wieder herunterdrückte.
Kaum aus der Gefahrenzone heraus, ging er in einer leichten Linkskurve in den Steigflug über, bis er auf Höhe der Berggipfel war. Er hatte hier oben, 4000 Meter (13000 Fuß) über dem Meeresspiegel, kahle, baumlose Felshänge erwartet, aber zu seiner Überraschung waren die Gipfel dicht bewaldet. Sobald er das Tal hinter sich gelassen hatte, ging er auf Westkurs.
Erst dann wandte er sich Shannon zu. »Alles in Ordnung?«
»Die wollten uns umbringen«, sagte sie tonlos.
»Mögen anscheinend keine Gringos«, erwiderte Giordino, während er nachprüfte, ob Shannon verletzt war. Als er weder Blut noch irgendwelche Wunden sah, konzentrierte er sich wieder auf den Hubschrauber und betätigte den Hebel, mit dem sich die Heckklappe schließen ließ.
Dann schrie er nach hinten in den Transportraum: »Irgend jemand getroffen?«
»Bloß ich, ich armer Kerl.«
Wie auf Kommando drehten sich Giordino und Shannon um, als sie die Stimme erkannten.
Pitt. Ein ziemlich erschöpfter und schlammverkrusteter Pitt zwar, von dessen notdürftig mit einem Kopftuch verbundenen Bein das Blut tropfte, aber ansonsten so unverwüstlich wie eh und je. Mit einem teuflischen Grinsen auf dem Gesicht beugte er sich in das Cockpit.
Giordino, den eine ungeheure Erleichterung überkam, lächelte ihm zu. »Beinahe hättest du schon wieder den Bus verpaßt.«
»Und du schuldest mir immer noch eine Dixieland-Band.«
Shannon kniete auf ihrem Sitz, das Gesicht nach hinten gewandt, warf Pitt lächelnd die Arme um den Hals und drückte ihn heftig an sich. »Ich hatte ja
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